Im November konnten das Stadtbezirksmarketing Aplerbeck, der Dortmunder Jugendring und Bezirksbürgermeister Dr. Jan Gravert den Holocaustüberlebenden Bert Woudstra aus den Niederlanden zu dem Vortrag „Wechselnde Haustüren“ im Amtshaus begrüßen.
Die Schüler des Gymnasiums an der Schweizer Allee und der Emschertalschule hatten die Möglichkeit, Informationen über die Judenverfolgung aus erster Hand zu erfahren. Woudstra nahm die Teilnehmer der diesjährigen „DoTour für Respekt“ in seinem Vortrag mit auf die bedrückende Reise seiner fünfjährigen Flucht vor den Nazis in Holland. Ihm ist während der Zeit der Nazi-Diktatur schlimmes Leid angetan worden. Doch der inzwischen 91-jährige Enscheder hat es geschafft, seine schmerzlich negativen Kriegserfahrungen in eine positive und kraftvolle Botschaft umzuwandeln. Für dieses Engagement wurde er 2021 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Bert Woudstra wurde am 19. Februar 1932 als Sohn jüdischer Eltern in Enschede geboren. Er überlebte den Krieg nur, weil er mit seiner Mutter und seinem Bruder untertauchen konnte. Seinem Bruder gelang die Flucht nach England. Sein Vater wurde im September 1941 während der Twente-Razzia zusammen mit 104 anderen jüdischen Männern als Vergeltung für einen Sabotageakt aufgegriffen und wenig später in Mauthausen getötet. Von den 53 Familienmitgliedern starben weitere 24 in Konzentrationslagern – nur weil sie Juden waren.
Dreizehn Mal musste der Niederländer zwischen 1940 und 1945 sein Versteck wechseln. Einmal hatte ein Gestapo-Mann während eines Zahnarzt-Besuchs von einer bevorstehenden Razzia geplaudert, woraufhin der Zahnarzt den neunjährigen Bert gerade noch rechtzeitig warnen konnte. In einer anderen Situation verlangte ein anonymer Erpresser 10.000 Gulden von Berts Mutter, andernfalls würde er das Versteck verraten. Auch musste Bert Woudstra zehn Tage im Wald leben, bevor er bei einem alten Fischer unterkam. Dort trug er als Großstadtjunge aus Enschede zum ersten Mal in seinem Leben Holzschuhe und färbte seine schwarzen Haare blond.
Nach dem Krieg wurde Bert Woudstra mit seiner Mutter und dem älterern Bruder wiedervereint. Die Familie setzte den Betrieb des Modegeschäfts fort und 1958 wurde Woudstra dessen Geschäftsführer. Nach dem Verkauf der Firma im Jahr 1972 widmete er sich dem sozialen Engagement im Bereich des Bildungswesens und der Unterstützung von Minderheiten. Er verwirklichte seinen Traum und wurde Berufsschullehrer. Seine Kriegserfahrungen hat Woudstra in einem Buch („Die Befreiung kam später“) und verschiedenen Dokumentationen verarbeitet.
Bert Woudstra erzählte sehr eindrücklich von seinen Erfahrungen und Erlebnissen im Versteck und schlug auch einen Bogen in die heutige Zeit. Ihm ist es wichtig, den Schülern zu vermitteln, was Diskriminierung anrichtet und dass Rassismus erlernt wird – da niemand damit geboren wird. Die Arbeit der Zeitzeugen ist umso wichtiger, da laut einer Studie der Universität Leibzig jeder dritte Bundesbürger eine ausländerfeindliche Einstellung hat und 6 % der Bundesbürger eine rechtsextreme Weltsicht zeigen. Muslime, Sinti und Roma sind vom Hass auf andere Kulturen besonders betroffen.
Bert Woudstra will gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aktiv etwas tun und erzählt deshalb, vor allem Schülern, über seine Geschichte. Jährlich hat er dutzende Vorträge über seine Lebensgeschichte vor Schülern aus den Niederlanden und Deutschland gehalten.
Die 45 Schüler der Emscherschule und des Gymnasiums an der Schweizer Allee lauschten dem Bundesverdienstkreuzträger für Völkerverständigung sehr aufmerksam. Außerdem wurden nach dem Vortrag viele Fragen an Bert Woudstra gestellt.