„Wir in Dortmund“ hat sich mit Obstgehölzpfleger Jochen Helle, der auch Mitglied beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist, in der Berghofer Mark auf einer seiner Streuobstwiesen getroffen.
Der Ursprung der Anpflanzung liegt in den 1930er Jahren. Damals pflanzte der örtliche Bäcker die Bäume, um das Obst für Apfel- und Pflaumenkuchen zu verwenden. Heute stehen noch sieben dieser alten Obstbäume. Über 20 Bäume wurden in den letzten Jahren neu gepflanzt.
Was versteht man unter einer Streuobstwiese?
Die Streuobstwiese ist eine traditionelle Form des Obstbaus mit hochstämmigen Bäumen, in Unterscheidung zum Niederstamm-Obstbau in Plantagen. Ab 1000 Quadratmetern (Definition vom BUND) spricht man von einer Streuobstwiese – alles darunter ist eine Obstwiese. Die Bäume sind hochstämmig, da sie sich gegen die Wiese durchsetzen müssen. Früher sprach man von einer Zwei-Etagen-Nutzung – Obst in der oberen und Beweidung durch Vieh oder Gewinnung von Viehfutter in der unteren. Teilweise macht man das heute noch so. Bei mir sind Schafe zum „Mähen“ und Kurzhalten der Wiese eingesetzt. Sie beweiden einzelne Abschnitte und so steht immer genug Nahrung für Insekten zur Verfügung.
Welche Sorten stehen auf Streuobstwiesen?
Auf Streuobstwiesen stehen Obstbäume unterschiedlichen Alters, Arten sowie Sorten (Apfel, Birne, Pflaume und Süßkirsche) und sind das Genreservoir alter Regionalsorten. Es gibt aber auch Wiesen, auf denen nur eine Obstsorte zu finden ist. Für die Streuobstwiese eignen sich nur robuste Sorten, da ja nicht gespritzt wird.
Warum sind Streuobstwiesen wichtig?
Streuobstwiesen sind charakterisiert durch eine Bewirtschaftung ohne Einsatz von Fungiziden und Insektiziden. Für die heimische Tier- und Pflanzenartenvielfalt spielen sie deshalb eine große Rolle – gerade auch für Vogelarten wie Steinkauz, Gartenrotschwanz und Grünspecht. Auf einer meiner Wiesen ist ein Steinkauz ansässig geworden. Die sind sehr selten in Dortmund. Sie bevorzugen offene Landschaften mit Bruthöhlen und Tagesverstecken in alten Bäumen und für die Jagd eine ganzjährig niedrige Bepflanzung.
Wie viele dieser Wiesen gibt es in Dortmund und wo werden Wiesen vom BUND betreut?
In Dortmund hat das Umweltamt ca. 110 Streuobstwiesen registriert. Dazu kommt eine nicht bekannte Anzahl von Obstwiesen, die als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen angelegt wurden. Eine vollständige Kartierung in Dortmund gibt es nicht. Die BUND-Kreisgruppe Dortmund hat im Rahmen ihres Apfelsaftprojekts 2005 etwa 100 Streuobstwiesen in einer Karte erfasst. 2015 hat der BUND Patenschaften von drei städtischen Streuobstwiesen in Scharnhorst und Derne übernommen.
Wie sieht denn so eine Betreuung aus, bzw. welche Pflege brauchen die Bäume.
Kulturpflanzen benötigen einen Pflanz- und Erziehungsschnitt. Ein Jungbaum muss in den ersten 10 Jahren jährlich geschnitten werden. Die Krone muss „ erzogen“ werden, damit der Baum nicht sofort zu viele Früchte trägt. Der Baum würde sonst zu schnell erschöpfen und die Früchte würden weniger und kleiner ausfallen. Je älter ein Baum ist, um so seltener muss er geschnitten werden.
Stimmt es, dass alte Apfelsorten für Apfel-Allergiker besser verträglich sind?
Ja, auf jeden Fall. Betroffene reagieren auf bestimmte Apfelsorten, insbesondere Supermarktsorten, allergisch. Der BUND Lemgo hat eine Liste herausgegeben, welche Äpfel sich für Allergiker eignen (www.bund-lemgo.de). Apfelallergiker melden die Apfelsorten an den BUND Lemgo die für sie verträglich und unverträglich sind. Da ein hoher Gehalt an gesundheitsfördernden Polyphenolen anscheinend dazu führt, dass die Äpfel problemlos gegessen werden können, hat der BUND damit begonnen, diesen Gehalt untersuchen zu lassen. Gut vertragen werden Sorten Prinz Albrecht von Preußen oder die Goldparmäne. Und je frischer, desto besser – nach einer längeren Lagerung können auch bei diesen Sorten allergische Reaktionen auftreten!
Darf man auf einer Streuobstwiese, zum Beispiel im öffentlichen Raum, Obst pflücken?
Es gibt eine Beschilderung vom Umweltamt für städtische Wiesen mit dem Hinweis zum Pflücken für den Hausgebrauch. Bei anderen sollte man es besser lassen – ist Privatgrund!
Welche alten Sorten kann man noch bekommen und dann in seinem Garten pflanzen?
Wer eine Streuobstwiese anlegen möchte, sollte bedenken, dass dies ein Generationenprojekt ist. Aber es lohnt sich auf jeden Fall. Alte Obstsorten erhält man in gut geführten Baumschulen. Gut geeignet sind der Ontario oder der Winterglockenapfel, aber auch Westfälischer Gülderling, Rheinischer Bohnapfel, Edelborsdorfer, Graue Herbstrenette und Roter Eiserapfel.
Es gibt einen Dortmunder Apfelsaft – wo wird er gepresst, wie erhalte ich ihn und besteht er nur aus Äpfeln von Streuobstwiesen?
Der von der BUND-Kreisgruppe Dortmund produzierte „Echt Dortmunder Apfelsaft“ ist Endprodukt eines Streuobstwiesenprojekts, das unsere Kreisgruppe im Jahr 2005 im Rahmen des Modellvorhabens „Regionen Aktiv – Land gestaltet Zukunft“ gestartet hatte. Der Apfelsaft wird zum Verkauf in Läden und Cafés bereitgestellt. Die Liste findet man auf https://www.bund-dortmund.de/mitmachen/echt-dortmunder-apfelsaft/.
Meine Streuobstwiesenäpfel presse ich in Berghofen auf dem Hof Wilsberg ca. ab Anfang September. Ab 200 kg presse ich für jeden, der möchte, Apfelsaft von den eigenen Äpfeln. Dazu wird es in diesem Jahr Anlieferungstermine geben.
Frische Äpfel von meinen Wiesen kann man ab Herbst bei den Marktschwärmern kaufen.(marktschwaermer.de)