Wer die Schule hinter sich gebracht hat, kann vielleicht ein Gedicht analysieren und eine Funktion aufstellen. Aber kann dieser junge Mensch auch den Alltag meistern? “Lebenspraxis” heißt das Stichwort, unter dem Jugendliche vom Werkstatt Berufskolleg in Unna seit einiger Zeit verschiedene Projekte entwickeln. Präsentiert haben sie einige davon beim European Youth Work Symposium, zu dem sich Ende Oktober über 40 Jugendgruppen aus 14 Ländern im Dortmunder U trafen – unter dem Motto “Building Bridges – Breaking Barriers”.
Projekte für das junge Leben
Mitgebracht hatten sie alle einen kleinen Vortrag über ihr jeweiliges Projekt am Heimatort, um die Teilnehmenden durch die Ausstellung zu führen, die ihre Aktionen bebilderte und grafisch veranschaulichte. Dabei ging es stets darum, das junge Leben vor Ort zu verbessern. Entstanden waren in diesem Zusammenhang beispielsweise eine Stadtkarte der griechischen Stadt Larisa, in der interessante Orte für Jugendliche verzeichnet sind, ein Tauschmarkt, auf den jede Person drei Gegenstände mitbringt, die sie nicht mehr benötigt, oder eine Auseinandersetzung mit sexueller Aufklärung in Spanien.
Die Jugendlichen aus Unna verteilten bei dieser Gelegenheit ein Kochbuch mit “günstigen Sachen für junge Leute”, so Florian Riemer, der an der Entwicklung des Buches mitgewirkt hatte, “weil wir auch selber gemerkt haben: Man bestellt ja doch öfter”. Sein Mitschüler aus dem Werkstatt Berufskolleg Ian Lemke hingegen befasst sich derzeit mit der Produktion eines Podcastes zu lebenspraktischen Fragen, die etwa die Steuererklärung, die Wohnungssuche oder das Stellen von Anträgen betreffen. Bei all dem verfolgt die Gruppe das Ziel, Lebenspraxis als Schulfach einzuführen, wie Lehrer Kevin Ewe erklärt: “Es ist natürlich ein schweres Rad, was zu drehen ist.”
Lokales Engagement und internationaler Austausch
Die “schweren Räder” bildeten die Grundlage für das Symposium im U. So fanden sich die Jugendlichen mit Fachkräften und Stakeholdern in Diskussionsgruppen zusammen, die die gesellschaftlichen und politischen Probleme erörterten, mit denen Jugendarbeit in ganz Europa konfrontiert ist. Dazu gehören auch die Herausforderungen, die “geschwächte, zum Teil sogar dysfunktionale Demokratien” mit sich bringen, wie es im Ankündigungstext zur Veranstaltung auf der Seite des veranstaltenden Internationales Bildungs- und Begegnungswerkes (IBB) e. V. heißt.
Dieses hält von der Nordstadt aus die Fäden des Netzwerkes in der Hand, das die Jugendorganisationen miteinander verbindet. Einmal jährlich organisiert es ein Treffen zwischen drei Ländern, damit die entsprechenden Jugendorganisationen sich zu ihren Herausforderungen und Problemen austauschen “und sich auch bei ihren Projekten gegenseitig helfen” können, erklärt Rolf van Raden vom IBB: “Andere Perspektiven können ja auch total weiterhelfen.” Gleichzeitig lege die Organisation stets Wert darauf, dass die Bildungsarbeit “lokal verankert” bleibe, damit die Jugendlichen erfahren, “Einfluss auf die eigene Lebenswelt” nehmen zu können. Deutlich wurde dieses Wechselspiel zwischen lokalem Engagement und internationalem Austausch nun erneut mit dem European Youth Work Symposium.