Nach zwei Jahren Pandemie gehen viele Vereine finanziell am Stock: Klingt doch schon im Wort genau das an, was man lange tunlichst zu vermeiden hatte. Schach allerdings war eine Freizeitbeschäftigung, die das Leben übrigließ – und so hat das „königliche Spiel“ in recht kurzer Zeit viel von seinem elitären Image ablegen können und ist fast zu einem Massenphänomen geworden.
Schach im Westpark
Auch im erfolgreichsten Schachverein der Stadt, dem SC Hansa Dortmund, wirken sich diese Veränderungen aus. Diesen Rückenwind möchte der Club selbstverständlich gerne für sich nutzen, wenngleich Pressesprecher Simon Krüger die Entwicklung ein bisschen geraderückt: „Der Online-Boom kommt nur teilweise bei uns an. Zudem ist Schach in den Vereinen im Laufe der letzten Jahre nicht nur ein bisschen ‚volkstümlicher‘, sondern auch unverbindlicher geworden: Die Anzahl unserer sehr leistungsstarken Spieler, die sich quasi jedes Wochenende ihrem Hobby widmen, ist sogar eher zurückgegangen.“
In der „Mitte der Gesellschaft“ hingegen wird der SC bald auch ganz buchstäblich ankommen: Im Westpark, um präzise zu sein. Dorthin waren, zunächst aus der Not heraus, in der Corona-Zeit die gelegentlichen Wochenend-Trainingsrunden verlegt worden – spielte die Witterung nicht mit, konnte man mit einigen Leuten ins BierCafé ausweichen. Aus der Not aber soll ab Ende April ein regelmäßiges Stückchen Vereinskultur werden: Jeweils freitags ab etwa 18.30 Uhr gehen die Vereinsabende dann am nördlichen Parkende „open air“ über die Bühne. Dort wird man es sich auf Klappstühlen gemütlich machen, während am Demobrett einer der Spitzenspieler mehr oder minder knifflige Schach-Aufgaben erörtert. Für Getränke ist gesorgt, und wer immer möchte, darf sich dazugesellen. Und so still dieser Sport in der Regel ist, kann es dabei dann auch etwas lebhafter zugehen.
Das „königliche Spiel“ in den Corona-Jahren
Bei einer Art „Vorpremiere“, zu der man sich am letzten Sonntag im März im Westpark zusammenfand, hatte manch eine(r) der Anwesenden in der Tat erst im Laufe der Corona-Jahre zum Schach gefunden. „Erst im Lockdown“, berichtet eine Teilnehmerin etwa, „habe ich die Regeln gelernt. Inzwischen vergeht aber eigentlich kein Tag mehr ganz ohne Schach.“ Genau diese Möglichkeit des kompletten Eintauchens in ein Hobby sei es auch gewesen, die sie von Beginn an fasziniert habe. Und, selbstverständlich, die große zeitliche Flexibilität, welche das Spiel in der Online-Welt biete. Auch der Statistik-Student einige Meter weiter ist ein echter Quer-Einsteiger. In seinem Alltag halten sich die Hobbys Fußball und Schach zeitlich in etwa die Waage, und diese Kombination aus körperlicher und geistiger Freizeitbeschäftigung bewertet er für sich als optimal. „Online allerdings“, gibt er zu bedenken, „trittst du beim Schach im Handumdrehen auf der Stelle und entwickelst dich nicht mehr weiter. Um die Möglichkeiten des Spiels auszuschöpfen, sollte man sich also schon mit anderen Leuten treffen und austauschen.“
Freilandschach-Anlage
Eine Sichtweise, über die sich Simon Krüger und seine Vereinskollegen sicherlich freuen dürften. Um Neugierigen künftig den Einstieg ins Spiel noch etwas leichter zu machen, hat der Zweitliga-Club bei der Bezirksvertretung kürzlich den Antrag zur Errichtung einer „Freilandschach-Anlage“ im Westpark gestellt. An dieser sowie ein paar zusätzlichen Klapptischen würde man sich dann in der Sommersaison immer freitags einfinden und Interessenten herzlich zu „Schnupper-Stunden“ einladen. Seine Massentauglichkeit hat das „königliche Spiel“ in letzter Zeit schließlich bewiesen.