Wer den beginnenden Frühling für einen Spaziergang über den Ostenfriedhof an der Robert-Koch-Straße nutzt, wird feststellen, dass einige besonders schöne, große und ausdrucksvolle Bronzefiguren und Reliefs restauriert sind. Kenner hatten die Kunstwerke vielleicht im letzten Jahr vermisst. Sie waren bis Ende des Jahres 2021 in der Fachwerkstatt Paetzke in Hörstel – Anlass für die Dortmunder Denkmalbehörde, sie als Denkmal des Monats April 2022 vorzustellen.
Alle Arbeiten sind von Benno Elkan
Es handelt sich durchweg um Arbeiten des 1877 in Dortmund geborenen jüdischen Künstlers Benno Elkan, der sie zwischen 1904 und 1910 schuf. Nach der Ausbildung an Kunstakademien in München und Karlsruhe wohnte Elkan ab 1906 mehrere Jahre in Paris und Rom, wo es zu intensivem Austausch mit anderen Künstlern kam. Vielleicht bestärkte die Bekanntschaft mit Auguste Rodin Benno Elkan seine Entscheidung, als Bildhauer und Plastiker zu arbeiten. Neben Grabdenkmälern schuf er besonders Medaillons und Büsten, teils berühmter Persönlichkeiten wie Walter Rathenau oder Karl Valentin. Sein weithin bekanntestes Kunstwerk steht vor der Knesset in Jerusalem: die Menora. Den traditionellen siebenarmigen Leuchter mit einem ausführlichen Bildprogramm zur jüdischen Geschichte schuf Benno Elkan zwischen 1949 und 1956 in London, wo er seit seiner Emigration 1934 lebte und – von der Queen zum Officer of the Order of the British Empire ernannt – 1960 starb.
Elkan war mit Dortmund verbunden
Elkan, der seit 1897 nicht mehr ständig in Dortmund lebte, hatte die Bande zu seinem Geburtsort nie abbrechen lassen. So erhielt er seine ersten Aufträge von Dortmunder Freunden und Bekannten für ihre Familiengrabstätten auf dem Ostenfriedhof. Sie finden sich nicht nur in der jüdischen Abteilung des Friedhofs, sondern sind auch an der prominenten Hauptachse vertreten, an der sich auch die repräsentativen Denkmäler für die Toten der Bergwerksunglücke auf der Zeche Kaiserstuhl oder der Familie Hoesch befinden. Die Facetten der Werke Elkans reichen von der griechischen Mythologie über christliche Sujets bis zur allgemeinen Todessymbolik. Sie sind ein Spiegel der vor dem ersten Weltkrieg im Bürgertum herrschenden Ansichten.
Griechische Mythologie und christlich-jüdische Tradition
Eine der großen Grabplastiken zeigt Persephone, die Tochter der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Demeter. Auf Beschluss der Götter musste Persephone jeweils ein halbes Jahr bei ihrem Ehemann Hades in der Unterwelt bleiben, in der anderen Jahreshälfte durfte sie zu ihrer Mutter Demeter zurück. Persephone ist damit ein Auferstehungssymbol. Bei anderen Grabstätten zeigen Reliefs die Auferstehung eher in christlicher Tradition. Weitere Werke Elkans widmen sich dem Übergang in die Welt der Toten, so in der überlebensgroßen Figur der Schreitenden. Der sie hinterfangende Grabstein deutet ein Tor zu einer anderen Dimension an. Häufiger hat Elkan auch kauernde Figuren, eingepfercht in enge Rahmen, gezeigt: Hinweis auf das Gefangensein im Tod. Eine emotional besonders beeindruckende Arbeit Elkans, ursprünglich ebenfalls ein Grabrelief, befindet sich heute in der Dortmunder Marienkirche: der Kopf des dornengekrönten Christus.
Kriegszerstörung und Metallraub
Der Christuskopf kam nach dem Zweiten Weltkrieg an diesen Ort. Er wurde nach Kriegszerstörungen auf dem Ostenfriedhof im Schutt gefunden und der Kirchengemeinde übergeben. Andere Arbeiten Elkans gingen in dieser Zeit verloren. Für die verbliebenen Bronzeplastiken bestehen heute neue Gefahren. Seit der weltweite Bedarf an Metallen gestiegen ist, finden sich immer wieder Kriminelle, die in Parks und auf Friedhöfen Kunstwerke brachial abbrechen, um das Metall einzuschmelzen. In Kauf genommen wird die Zerstörung einmaliger Kunstwerke. „In einem Relief von Benno Elkan war schon ein großes Loch, vermutlich von Dieben, die versucht hatten, das Metall vom Grabstein zu lösen“, hatte der Restaurator festgestellt. Die Bezirksvertretung Innenstadt-Ost folgte deshalb einem Antrag, die überlieferten Originale von Benno Elkan zu sichern und durch Repliken zu ersetzen.
Neues Material
Den Auftrag für diese Maßnahme erhielt die auf dem Gebiet der Restaurierung erfahrene Firma Paetzke aus Hörstel. In der Werkstatt nahm man nach der Reinigung der Kunstwerke Negativformen aus Silikonharz ab. Eine unmittelbar aufgebrachte dünne Schicht aus Bienenwachs erleichterte die Abnahme der Form. Eingebettet in eine Stützform konnte die Silikonform mit einem von der Fa. Paetzke hergestellten robusten Material aus Polymer-Beton gefüllt werden, die durch eine Glasfaser-Armierung stabilisiert wird. Anschließend erhielten die Repliken eine Farbfassung in dem für Bronze typischen Grünspanton. Im letzten Arbeitsschritt fügte man die Repliken in die restaurierten Steinfassungen auf dem Ostenfriedhof ein.
Zukunft
Ganz einfach war die Aktion nicht, wie der Restaurator anmerkt: „Das wiegt ja einiges. Aber dank der großartigen Hilfe der Truppe vom Dortmunder Friedhofsamt war die Verladung und der Transport der Figuren und Reliefs nach Hörstel und zurück gut zu schaffen.“ Inzwischen sind die Originale in die sichere Obhut der Friedhofsverwaltung zurückgekehrt. Über ihre mögliche museale Ausstellung muss noch entschieden werden. Metallräuber haben künftig das Nachsehen. Restaurator Paetzke: „Wenn die mit der Spitzhacke drangehen, um ein Relief zu lösen, wird eine Ecke abplatzen, und sie werden dumm gucken, weil es kein Metall ist. Wir haben aber hier die Formen und können jederzeit eine fehlende Ecke wieder fast unsichtbar anfügen.“