Eigentlich wartete Nora Rechenbach auf den Lieferdienst und vermutete eine Rückfrage zu ihrer Bestellung, als an einem Abend Ende Mai ihr Telefon klingelte. Doch entgegen jeder Wahrscheinlichkeit, die, wie die 28-Jährige vermutete, „gegen Null ging“, sprach sie, nachdem sie abgehoben hatte, mit Thomas Sulewski, dem Trainer der ersten BVB-Frauen-Mannschaft. „Ich war wahrscheinlich ein bisschen reserviert, weil ich sehr hungrig war“, räumt Rechenbach ein, aber nicht umsonst hatte sie ihre Vertragsverlängerung bei den Kickers Offenbach hinausgezögert. Denn mit einem Fünkchen Hoffnung hatte sie sich im Mai dem Probetraining für die zweite Mannschaft angeschlossen, obwohl sie sich eigentlich mehr erhoffte. „Der Kader der Ersten ist ja schon voll“ – das war der Spielerin natürlich klar. Und dennoch: „Ich bin in Dortmund geboren, habe auch Familie hier und war schon immer BVB-Fan.“ Warum es also nicht versuchen? Und ihr Versuch war von Erfolg gekrönt. Seit Anfang Juli spielt Rechenbach offiziell in der ersten Mannschaft des BVB – ebenso wie vier weitere Frauen zwischen 19 und 25 Jahren.
„Weil der Fußball nicht ausbleibt“
Die Jüngste unter ihnen ist Lea Auffenberg, die mit ihrem Vater zusammen zwei Jugendmannschaften beim VfR Sölde trainiert. Zusammen mit ihrem eigenen Einsatz als Spielerin – zunächst in der U17 des VfL Bochum, dann bei SV Berghofen und nun eben beim BVB – „hab’ ich wirklich rundum Fußball“. Auch die verletzungsbedingten anderthalb Jahre Pause hielten sie nicht davon ab, noch eine Weile nach Berghofen zurückzukehren, „weil der Fußball nicht ausbleibt“. Doch ausgerechnet Auffenbergs Zugehörigkeit zu Berghofen bescherte ihr im vergangenen Jahr eine Absage des BVB, hatte dieser sich doch auf die Fahnen geschrieben, aus keinem Verein mehr als zwei Spielerinnen zu nehmen, um die Dortmunder Vereinslandschaft zu schonen. Umso erfreuter war die 19-Jährige, als ihr das Frühjahr 2022 gleich zwei Erfolge bescherte: Das Fachabitur und einen Platz im Kader der ersten Mannschaft. Nun hofft sie, „dass ich mich bei Dortmund weiterentwickeln kann“, parallel zu ihrer Ausbildung zur Krankenschwester, die sie zum Oktober aufnehmen wird. Außerdem jedoch denkt sie über ihre eigene Person hinaus, wünscht sich, „dass wir noch größer mit der Frauenabteilung werden“ und ist überzeugt: „Da können wir auch was zu beitragen.“
Ein „Teamplayer“ mit „Torinstinkt“
Tatsächlich hat der BVB sie und ihre vier Mitspielerinnen genau zu diesem Zweck akquiriert. In mehreren Testspielen am Jahresanfang „haben wir festgestellt, dass wir sehr gut mithalten können, was höhere Spielklassen angeht“, berichtet die Leiterin der Frauen- und Mädchenabteilung Svenja Schlenker. Doch eine weitere Erkenntnis forderte Taten: „An der einen oder anderen Stelle brauchen wir schon noch mehr Qualität und vielleicht auch ein bisschen mehr Erfahrung“ – vor allem mit Blick auf die nun begonnene Saison in der Bezirksliga. „Es wird natürlich jetzt auch ein bisschen ruppiger, geht ein bisschen mehr zur Sache. Dafür wollten wir natürlich gewappnet sein.“ Sowohl in der Abwehr als auch im Mittelfeld und im Sturm hat man aufgerüstet.
Für letzteren zeichnet nun unter anderem Mandy Reinhardt verantwortlich, denn „auf jeden Fall bin ich Stürmerin“. Außerdem verfüge sie über einen guten „Torinstinkt“, wie sie von sich selbst sagt: „Ich stehe oft richtig und mache dann die Tore“ – aber nicht im Alleingang, denn die 22-Jährige ist ein „Teamplayer“, der Wert darauf legt, mit einer positiven Ausstrahlung „motivierend“ auf ihre Mitspielerinnen zu wirken. Schließlich will die Polizistin zusammen „mit der Mannschaft wachsen und viel erreichen“, wie sie sagt: „Viele Titel und Pokale“ stehen auf ihrem Plan. Dafür ist sie von ziemlich weit oben in die Bezirksliga gewechselt, spielte sie doch bis vor Kurzem beim FFC Recklinghausen in der Regionalliga, zuvor sogar in der zweiten Bundesliga bei der SGS Essen. Zwar bemängelt sie ihre geringen Spielzeiten in Recklinghausen, aber: „Ich bin auch Dortmund-Fan, natürlich“, weshalb sie das Angebot von der Strobelalle gern annahm.
„Das Spiel ordnen und lesen“
Wie bei Reinhardt ist die Rückkehr aus einer weit höheren Liga an den Anfang bei den BVB-Frauen Programm. Auch Marie Grothe spielte in der Vergangenheit – wie auch Auffenberg beim SV Berghofen – in der Regionalliga. Zuletzt stand die Ernährungsberaterin für die SpVgg Herne-Horsthausen in der Westfalenliga auf dem Platz, vor allem im zentralen Mittelfeld, von wo aus „ ich das Spiel ganz gut ordnen und lesen kann“, wie die 25-Jährige selbst sagt: „Wenn man im Zentrum spielt, ist es wichtig, dass man nach vorne und nach hinten, nach rechts und links alles so gut es geht im Blick hat.“ Aber Grothe kann noch mehr, spielte sie doch in der Vergangenheit „ganz vorn im Sturm“ und kann „mal so, mal so“ eingesetzt werden. „Ich persönlich will mich so gut es geht einbringen“, so Grothe, „ich würde schon sagen, dass ich Verantwortung übernehmen will und meinen Teil dazu beitragen möchte, dass wir am Ende der Saison sagen: Wir sind zufrieden mit dem, was wir geschafft haben, und sind stolz auf das, was wir geleistet haben.“
„Technisch versiert Bälle verteilen“
Auch Mia Bedarfs Beitrag dürfte sich vom zentralen Mittelfeld aus bemerkbar machen, denn: „Ich bin eher technisch versiert und habe eine gute Übersicht zum Bälle Verteilen.“ Während der vier Jahre, die sie an der Cardinal Stritch University in Milwaukee spielte, kamen diese Qualitäten wohl etwas kurz, denn „Frauenfußball ist da sehr körperlich und schnell“, nicht nur in Wisconsin, sondern in den USA allgemein, wie die 24-Jährige aus eigener Erfahrung berichtet: „Die Taktik ist halt schnell nach vorne.“ Mit einem Fußballstipendium kam Bedarf damals ans College. Während sie dort ihren Bachelor in Business absolvierte, trainierte sie sechsmal wöchentlich. Dass sie Fußball spielen kann, war spätestens während ihrer Zeit beim SV Berghofen klar geworden. Nach ihrer Rückkehr spielte die heutige Data-Science-Studentin beim FC Iserlohn. Ebenso wie bei Auffenberg führte das Probetraining beim BVB im vergangenen Jahr nicht zum Erfolg. Doch nun ist auch Bedarf dabei, zusammen mit ihren vier Kolleginnen und der gesamten Mannschaft die BVB-Frauen zum Erfolg zu führen.