Wie stark wird der zeitweise Verlust des „12. Mannes“ bei Heimspielen in der aktuellen Saison für den BVB ins Gewicht fallen?
Vorab: Ich bin kein Fan von im Fernsehen künstlich eingespielten Stadion-Geräuschen und Fan-Gesängen. Entweder, es sind Fans im Stadion oder nicht. Umso großartiger war es, im ersten Heimspiel gegen Gladbach wieder die Stimmung auf den Rängen zu spüren. Das stärkt natürlich die Heimmannschaft. Und hier insbesondere die Spieler, die sich von einer Atmosphäre noch einmal pushen lassen.
Droht der BVB in Folge des Bayern-Triples national abgehängt zu werden? Oder spielt die Zeit dank der Fülle an Top-Talenten (Reyna, Bellingham, Moukoko…) den Schwarzgelben eher in die Karten?
Hier war der Verbleib von Jadon Sancho ein wichtiges Signal. Es muss sich in der Mannschaft ein Glaube aufbauen, dass auch einmal über mehrere Jahre hinweg ein Kern der Mannschaft zusammenbleibt, um Großes zu erreichen. Das war auch zu Beginn der Ära Klopp der Fall. Plötzlich war der Glaube da, Teil eines besonderen Projekts zu sein. Einer Mannschaft, die alles erreichen kann. Wenn das gelingt, wenn ein Kern der jungen Spieler bleibt, ist dem BVB in den nächsten Jahren alles zuzutrauen.
Steht die dünne Personaldecke im Defensivbereich den schwarzgelben Titelambitionen im Wege?
Es müsste schon viel zusammenkommen, dass dies zum Problem wird. Hummels ist eine Bank, Akanji wird sich weiter verbessern, Zagadou sehe ich in einigen Jahren als den kommenden Paulo César. Ein Fan von Can bin ich ohnehin. Rechts macht Meunier einen sehr guten Eindruck. Dann sind da noch Morey, der ebenfalls herausragende Anlagen hat, Piszczek, Schulz, Schmelzer, Guerrero. Und nicht zu vergessen Felix Passlack! Seine Geschichte freut mich sehr. Bei ihm vergessen viele, dass er auch erst 22 Jahre ist. Natürlich hat er davon profitiert, dass viele verletzt waren. Aber es spricht für den BVB, dass er die Chance erhalten hat, sich wieder aufzudrängen. Er war gegen Gladbach, agil, offensivstark, handlungsschnell. Ich bin sehr gespannt, wie es mit ihm weitergeht.
Ist eine teilweise Öffnung der Fußballstadien nach dem „Leipziger Modell“ der richtige Schritt?
Da kann ich für die nächsten Monate keine weiterführende Prognose vertreten. Die letzten Monate haben gezeigt, wie wenig planbar vieles im Leben ist. Auch, wenn manche ungeduldig sind: Wir sollten uns immer an den aktuellen Fakten orientieren. Wenn die Situation Fans in den Stadien zulässt, freuen wir uns, denn ohne sie ist der Fußball auf Dauer nichts. Falls das nach Abwägung aller Fakten und Entwicklungen nicht möglich sein sollte, müssen wir das genauso akzeptieren.
Auf welchem Platz landet der BVB am Ende der Spielzeit?
Der zweite Platz der letzten Saison wurde durch die Champions-League-Halbfinal-Teilnahme von Leipzig und den Champions-League-Sieg der Bayern noch einmal aufgewertet. Insgesamt hat die Bundesliga dadurch international an Stellenwert gewonnen. Übrigens auch durch die CL-Auftritte des BVB. Aber zurück zur Bundesliga: Die Bayern sind stark, aber der BVB ebenfalls. Ich arbeite nicht mehr als Sportjournalist, deshalb antworte ich als gebürtiger Dortmunder und Lokalpatriot: Wer wird Deutscher Meister? Nur der BVB!