Was laut Svenja Schlenker beim BVB bereits „seit Jahren durch die Flure waberte“, ist im Herbst Realität geworden. Seit Oktober hat der BVB eine Frauenfußball-Abteilung. Aber eine offizielle Abteilung ist noch kein Schweiß auf dem Platz und noch lange kein Triumph über eine gewonnene Meisterschaft. Genau dafür jedoch schafft der Verein jetzt die nötigen Strukturen und genau dafür arbeitet jetzt auch Svenja Schlenker als Leiterin der Frauenabteilung beim BVB.
Um mit ihr über Fortschritte und Pläne zu sprechen, haben wir sie an der Fußball-Akademie an der Strobelallee getroffen, deren Fußballplatz auch die erste Spielstätte der zukünftigen Frauenmannschaft sein wird.
Redaktion: Die offizielle Gründung der Frauenmannschaft sollte im Juli stattfinden. Ist das richtig?
Svenja Schlenker: Die Abteilung wurde im Oktober 2020 gegründet und die Mannschaft wird ab der kommenden Saison, also ab dem 1. Juli 2021, auf jeden Fall gemeldet sein. Wir müssen jetzt aber natürlich schon auf die Suche gehen nach Spielerinnen. Sobald die Corona-Regeln es wieder zulassen und der Breitensport trainieren darf, können wir auch Sichtungstrainings ausschreiben, um aus den Bewerberinnen eine Mannschaft zu formen.
Redaktion: Das heißt, Sie veranstalten dann hier auf dem Platz Trainings für interessierte Frauen?
Svenja Schlenker: Ganz genau. Wir bauen gerade das Team hinter dem Team auf und können dann gemeinsam einige Leitplanken festlegen. Es würde zum Beispiel keinen Sinn machen, wenn Spielerinnen 100 Kilometer entfernt wohnen und zweimal die Woche zum Training und am Wochenende zum Spiel kommen müssten. Der Sichtungstermin wird dann öffentlich auf all unseren Kanälen ausgeschrieben, so dass jede interessierte Frau, die die Rahmenbedingungen erfüllt, teilnehmen kann.
Redaktion: Können Sie „das Team hinter dem Team“ ein bisschen konkretisieren?
Svenja Schlenker: Es wird zwei Teammitglieder geben, die im sportlichen Bereich eine noch größere Expertise haben. Zudem benötige ich im administrativen und organisatorischen Bereich ausreichend Unterstützung. Am allerwichtigsten ist aber natürlich ein geschultes und erfahrenes Trainerteam.
Redaktion: Wie weit sind Sie bei diesem Thema?
Svenja Schlenker: Da sind wir schon in Gesprächen, haben uns aber noch nicht entschieden. Ich hoffe, dass wir vielleicht im Februar damit an die Öffentlichkeit gehen können.
Redaktion: Sie sprachen gerade von der sportlichen Expertise, die Sie ja auch haben. Können Sie sie einmal schildern?
Svenja Schlenker: Die sportliche Expertise habe ich insofern, als dass ich jahrelang Fußball gespielt habe. Ich habe ganz lange am Niederrhein gelebt, habe dort Fußball gespielt, habe hier in Dortmund beim Wambeler SV auch noch einige Jahre gespielt, aber ich habe noch keine Trainerscheine. Von daher brauche ich da noch ein bisschen Unterstützung und Beratung.
Redaktion: Wie hat sich Ihr Weg hin zu dieser Position entwickelt?
Svenja Schlenker: Ich bin seit 13,5 Jahren bei Borussia Dortmund, habe den KidsClub aufgebaut und unser Maskottchen EMMA zum Liebling unserer kleinsten Fans werden lassen. Nach und nach haben wir zudem unseren Fans ab 60 Jahren mehr Aufmerksamkeit gewidmet, und auch in diesem Bereich viele Veranstaltungen durchgeführt.
Aber schon seit Jahren waberte das Thema Frauenfußball bei Borussia Dortmund durch die Flure. Als ich damals hier angefangen habe, habe ich sofort gefragt: „Warum gibt es hier keine Frauenmannschaft? Ich möchte unbedingt in Schwarz-Gelb spielen!“ Doch die Zeit dazu war noch nicht reif und als es dann immer konkreter wurde im letzten Jahr, habe ich sofort die Hand gehoben und gesagt: „Das wäre genau mein Thema und ich würde mich unheimlich freuen, wenn ich daran teilhaben könnte.“
Redaktion: Die Leidenschaft bringen Sie mit. Sehen Sie auch Herausforderungen?
Svenja Schlenker: Oh, es gibt ganz viele Herausforderungen. Wir möchten den Mädchen und Frauen, die hier spielen werden, natürlich eine bestmögliche Infrastruktur bieten. Wir werden erstmal hier in der Fußball-Akademie starten. Wir werden hier trainieren, wir werden hier auch erstmal spielen können. Das wird aber nur für einen begrenzten Zeitraum möglich sein. Wenn wir wachsen wollen, ist der Platz hier irgendwann zu wenig. Auch in Brackel – durch unsere vielen Jugendmannschaften – sind die Kapazitäten relativ erschöpft. Unser großer Traum wäre es, eine eigene Heimat zu finden, die aber natürlich mit dem BVB verwurzelt ist. Wir denken da immer ganz stark an das Stadion Rote Erde.
Redaktion: Mit Leichtathletikverbänden müssen Sie da auch sprechen, oder?
Svenja Schlenker: Genau. Mit allen, die dazugehören. Wir wollen niemanden vergraulen und niemandem den Platz wegnehmen, möchten aber natürlich unseren Mädchen und Frauen etwas bieten.
Redaktion: Sie haben im Sommer schon Ihre Ambitionen für die neue Mannschaft angedeutet. Können Sie die noch ein bisschen ausführen?
Svenja Schlenker: Wir haben uns darauf verständigt, dass wir einen eigenen Dortmunder Weg einschlagen und in der Kreisliga beginnen, weil wir glauben, dass das viel besser zu Borussia Dortmund passt. Wir haben unsere Mitglieder befragt und auch da war die Meinung eindeutig, dass wir ganz solide unten in der Kreisliga starten und dann natürlich, weil wir ein ambitionierter Sportverein sind, so schnell wie möglich aufsteigen möchten. Wir werden nicht niederschreiben, ab wann wir erstklassig spielen wollen, aber natürlich sind wir ehrgeizig und ambitioniert und wollen das schnellstmöglich schaffen.
Redaktion: Und gegebenenfalls: Könnte man auch an den Signal-Iduna-Park denken?
Svenja Schlenker: Daran denken kann man natürlich, aber ich glaube, der Signal-Iduna-Park ist erstmal den männlichen Profis vorbehalten.
Redaktion: Sie haben gerade schon von bestimmten Zielgruppen gesprochen, die Sie hier adressieren. In diesem Fall sind es Frauen, die aktiv Fußball spielen. Aber es gibt ja auch Zuschauende. Mit wem rechnen Sie da?
Svenja Schlenker: Wir rechnen mit einer ganz breiten Masse. Allein durch die Umfrage, an der sich unfassbar viele Mitglieder beteiligt haben, haben wir bemerkt, dass die Zielgruppe, die wir ansprechen, ganz breit ist. Männer und Frauen jeden Alters haben daran teilgenommen und haben auch kommuniziert, dass sie das Thema gut finden, dass sie offen dafür sind und dass sie sich auch sehr gut vorstellen könnten, die Spiele der Frauen dann anzuschauen. Ich bin jetzt schon ganz aufgeregt, wenn ich an das erste Spiel denke, vor allem an das erste Heimspiel, weil ich glaube, dass da schon nicht nur 20 Fans hier sein werden, sondern eher 100 oder 200.
Redaktion: Da sind wir auch schon beim Thema Sponsoring, weil das ja eng mit den Zuschauenden zusammenhängt. Gibt es da schon Pläne? Haben Sie eine Richtung, wie Sie das anvisieren wollen?
Svenja Schlenker: Wir haben mit adesso bereits einen Trikot-Sponsor gefunden. adesso ist Sponsor unserer Jugendabteilung und unseres Nachwuchses geworden. Und da sich das Unternehmen mit She-IT auch sehr für Frauen in Unternehmen oder Frauen in der IT-Branche einsetzt, haben sie gesagt: „Das Thema Frauenfußball würde auch wunderbar passen!“ Mit denen haben wir also bereits eine Kooperation geschlossen und ansonsten gucken wir jetzt erstmal, was wir an Partnern haben, die wir einbinden können. Das muss natürlich auch immer passen. Ich war lange im Marketing und ich achte natürlich auch immer darauf, dass ein Partner zu Borussia Dortmund und in diesem Fall eben auch zum Frauenfußball passt.
Redaktion: Gibt es eigentlich Synergieeffekte, die Sie nutzen können, d. h. Ressourcen, die die Herrenmannschaften geschaffen haben?
Svenja Schlenker: Erstmal hilft uns die Struktur der Fußball-Akademie extrem weiter, weil es hier einen sehr guten Platz gibt, auf dem sich bestens trainieren lässt. Es gibt Trainingszeiten, weil die Akademie das Training für Kinder meistens tagsüber anbietet und nur bis in den frühen Abend, sodass wir im Anschluss trainieren können. Wir werden hier noch ein bisschen was umbauen, um auch eigene Räumlichkeiten für die Mädchen und Frauen zu schaffen und so einen eigenen Bereich zu haben. Da sind wir schonmal ganz dankbar.
Wir haben Kooperationen mit Rosbacher, die uns Wasser liefern, wir haben eine Kooperation mit Rewe Dortmund, die liefern uns frisches Obst. Wir können da auf jeden Fall partizipieren, an dem, was es bereits gibt, zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel über AM Sports und sei es nur das Magnesium in der Wasserflasche am Spieltag. Mit Puma haben wir einen ganz tollen Ausrüster. Wir wissen, wir werden auch die Frauen entsprechend ausstatten können.
Redaktion: Sie haben gerade schon die Mädchen erwähnt. Soll es über eine einzelne Frauenmannschaft hinausgehen?
Svenja Schlenker: Das sind definitiv meine Pläne. Es soll nicht nur eine vereinzelte Frauenmannschaft geben, sondern wir wollen das Ganze ganz nachhaltig aufbauen. Nicht im ersten Jahr. Wir starten mit einer Frauenmannschaft, gucken dann aber: Was ist sinnvoll? Wie sinnvoll ist es, zehn Mädchenmannschaften aufzubauen oder vielleicht nur drei? Wir wollen natürlich gern eigene Nachwuchsarbeit leisten, aber wenn hier im Kreis beispielsweise keine anderen U13-Mannschaften sind, wäre es nicht sehr sinnvoll, wenn wir eine U13-Mannschaft gründen, wenn wir keine Gegner haben. Wir werden uns ein bisschen daran orientieren: Was gibt es für Ligen? Was gibt es für Mannschaften in der Umgebung? Klar kann man jeden Tag oder dreimal die Woche trainieren, aber man möchte am Wochenende einfach spielen und wenn es dann keinen Gegner gibt, das wäre schade.
Redaktion: Und die Mädchen sollen dann auch hier an die Fußball-Akademie angedockt werden und hier lernen?
Svenja Schlenker: Das ist Zukunftsmusik. Wir werden das auf jeden Fall mit dem Programm der Akademie verzahnen, weil wir schon über die letzten Jahre ganz viele verschiedene Kursformate aufgebaut haben, Förderkurse, Leistungskurse, und wir haben sehr viel Expertise hier intern, sodass wir daran auf jeden Fall teilhaben können.
Redaktion: Sie haben gerade die Vereine im Umfeld angesprochen. Haben Sie von denen schon ein Feedback bekommen?
Svenja Schlenker: Als wir die Umfrage letzten Sommer gemacht haben, haben wir auch alle Vereine angeschrieben, die Mädchen- und Frauenmannschaften haben. Viele Vereine haben sich zurückgemeldet und die Resonanz war sehr positiv. Die meisten glauben, dass wir den Fußball nicht kaputtmachen, sondern ganz im Gegenteil: Mit der Strahlkraft von Borussia Dortmund können wir den Mädchen- und Frauenfußball noch ein bisschen beleben. Das ist uns auch wirklich sehr wichtig, weil wir wissen, dass es nicht ganz einfach ist, Mädchen- und Frauenfußball aufrechtzuerhalten. Das hat ein bisschen abgenommen in den letzten Jahren.
Wir können uns in Dortmund glücklich schätzen, denn wir haben einen eigenen Kreis, mit zahlreichen Vereinen. Ich glaube, wir haben 69 Vereine, die Fußball für Mädchen und Frauen anbieten, im Kreis Dortmund. Dennoch wollen wir das Ganze stärken. Sobald man sich wieder physisch in einer größeren Gruppe treffen kann, möchten wir die Vereinsvertreter auf jeden Fall einladen und noch einmal ein offenes Gespräch führen, um vielleicht auch die letzten Sorgen und Ängste zu nehmen und zu schauen, wie wir den Fußball an sich hier stärken können und wo wir vielleicht auch unterstützen können.
Redaktion: Wurden denn Sorgen und Ängste geäußert?
Svenja Schlenker: Sorgen und Ängste nur im Hinblick auf die Transferpolitik. Wir können natürlich nicht fünf Frauen von einem Verein zu uns transferieren. Dann fehlen vielleicht die wichtigsten Spielerinnen und die Mannschaften müssen sich abmelden. Das wollen wir auf keinen Fall und da werden wir auch gemeinsame Richtlinien festlegen, beispielsweise, dass wir von jedem Verein pro Saison maximal zwei Spielerinnen zu uns lassen, um eben zu garantieren, dass kein Verein daran kaputtgeht und seine Mannschaft abmelden müsste. Das wäre eine Katastrophe, das wollen wir auf keinen Fall.
Redaktion: Ist denn noch geplant, die Gründung irgendwie in der Öffentlichkeit zu begehen?
Svenja Schlenker: Wir haben eine Pressemitteilung rausgegeben im Oktober, als es soweit war. Wir werden aber selbstverständlich kommunizieren, sobald das Team steht, und möchten natürlich die Frauen auch entsprechend vorstellen. Aber auch hier sind uns momentan die Hände gebunden, weil wir nicht wissen, wann das alles stattfinden kann.
Redaktion: Welches Budget steht Ihnen eigentlich zur Verfügung für Ihre ganzen Pläne, die ja groß sind?
Svenja Schlenker: Es gibt keine konkreten Zahlen, die ich da nennen kann, aber die Abteilung wird sich auf jeden Fall selbst finanzieren in den ersten Jahren. Wir werden natürlich ein paar Sponsoring-Einnahmen haben, die die Kosten, die in der Abteilung entstehen, aber auf jeden Fall decken. Daher trägt sich das alles selbst.
Redaktion: Vielen Dank, Frau Schlenker. Möchten Sie noch etwas sagen, was wir bislang nicht berücksichtigt haben?
Svenja Schlenker: Ich würde ganz gern schon eine Ankündigung zum Sichtungstraining raushauen, aber das funktioniert leider gerade nicht.
Redaktion: Das bekommen wir dann aber sicherlich schriftlich, oder?
Svenja Schlenker: Ja, auf jeden Fall. Das werden wir über alle Kanäle kommunizieren. Da sind auch, glaube ich, alle ganz heiß drauf. Ich habe natürlich auch schon viele E-Mails von interessierten Fußballerinnen bekommen und muss die immer vertrösten, dass ich momentan noch nichts sagen kann. Aber da ist schon das Interesse da, da bin ich ganz gespannt.