Wahrgenommen wurden er und Michael Zorc in den frühen 1980ern von den Fans ein wenig wie Geschwister: Quasi im Gleichschritt marschierten Borussias heutiger Sportdirektor und Ralf Loose durch die bundesdeutschen Jugendauswahlen und sammelten dabei – noch dazu in den so zentralen Rollen „Spielmacher“ und „Libero“ – anno 1981 am anderen Ende des Globus den U20-Weltmeistertitel ein.
Ralf Loose legte als Mittelfeldspieler sogar noch die Torjägerkrone obendrauf, und in der Heimat, wo die Schwarzgelben den Zweitliga-Niederungen erst ein paar Jährchen zuvor entwischt waren, war man mächtig stolz auf die beiden Nachwuchs-Juwele. Wobei das mit der öffentlichen Wahrnehmung so eine Sache ist: Gemeinsam aufgelaufen waren der Dorstfelder Loose und der Evinger Zorc vor Beginn ihrer schwarzgelben Zeit schließlich nie, und ein Zimmer teilten sie sich bei Auswärtsspielen auch nicht.
Im Mai 1986 und dem erneuten Abstieg in der Relegation um Haaresbreite entronnen, endete mit Ralf Looses Wechsel zu Rot-Weiß Oberhausen (!) schließlich der Traum von weiteren gemeinsamen Fußball-Großtaten der beiden Dortmunder Jungs, deren Wege sich später beruflich – während Ralf Looses Zeit bei der Düsseldorfer Fortuna – nur noch ganze dreimal kreuzten. Seinen neuen Lebensmittelpunkt hat der heute 57-Jährige seit langer Zeit in Liechtenstein gefunden. Die emotionale Verbindung zur alten Heimat allerdings, das unterstreicht er im Telefoninterview mit unserer Redaktion, sei definitiv nach wie vor da, denn immer noch wohnten in Dortmund eine Menge persönlicher Freunde. Der persönliche Kontakt zum BVB aber, das gibt er zu, gehöre mittlerweile der Vergangenheit an. Mit Michael Zorc gab es zwar noch eine Zeitlang eine Verbindung. „Aber wenn ich ihn heutzutage sehe, dann nur noch im Fernsehen,“ lacht Borussias ehemaliger Defensivakteur.
Auf seinen damaligen Abschied aus Dortmund blickt der heutige Coach des FC Winterthur ausgesprochen nüchtern zurück. Der Verein habe seinerzeit auf 7 Mio. DM Schulden gesessen – „das ist wahrscheinlich vergleichbar mit 70 Mio. Euro in der heutigen Zeit“ – und sei zu Verkäufen schlicht gezwungen gewesen. Der in Dorstfeld und Wichlinghofen großgewordene Kicker wiederum suchte nach turbulenten schwarzgelben Jahren eine neue Herausforderung. Mit seiner Düsseldorfer Zeit – in der er mit der Fortuna aufstieg und deren Mannschaftskapitän wurde – hadert er auch heute in keiner Weise. So fällt ihm als prägendste Trainerfigur seiner Laufbahn dann auch Aleksandar Ristic ein, der im Rheinstadion fünf Jahre lang sein Übungsleiter war. Bei der Frage nach den eindrucksvollsten Spielern seiner aktiven Zeit wiederum kehrt Ralf Loose dann doch an die Strobelallee zurück und benennt zwei zu früh verstorbene Legenden: Das Schlitzohr und Unikat Manni Burgsmüller sowie seinen Zimmerkollegen aus BVB-Zeiten und häufigen Turm in der Schlacht, Rolf Rüssmann.
Den Weg zur Trainerlaufbahn ebnete dann später eine andere wichtige Figur von Ralf Looses Fußballerkarriere: Mentor und DFB-Jugendcoach Dietrich Weise legte dem Dortmunder nahe, sich um den Liechtensteiner Fußballnachwuchs zu kümmern. Der mischte, wie es bei einem Land mit insgesamt knapp 40.000 Einwohnern durchaus Sinn macht, als Team im Schweizer U-18-Ligabetrieb mit, hatte dort allerdings nahezu den Ruf von Tasmania Berlin. Dass Ralf Loose sie binnen drei Jahren zur Meisterschaft coachte, dürfte ihn in seinem weiteren beruflichen Weg bestätigt haben.
Im Zuge seiner Laufbahn ist aus dem ehemaligen Abwehrspieler und Anhänger einer eher defensiven Spielphilosophie allerdings ein Anhänger von Pressing und Gegenpressing geworden. Wobei Loose, der mittlerweile fast sein „Silberjubiläum“ als Trainer feiern kann, es nicht nur als Pflicht und Herausforderung sieht, sich spieltaktisch ständig weiterzuentwickeln: „Man sollte versuchen, jung zu bleiben und Veränderungen auch anzunehmen“, resümiert er.
Zu Beginn seiner Laufbahn habe er den Jugendspielern beispielsweise das Handy verboten – eine Maßnahme, die für ihn mittlerweile deutlich zu lebensfern wäre. Disziplin erwartet der Dortmunder von seinen Schützlingen dennoch, und vor allem Kampfgeist. Da bricht sich im sonst eher höflich-zurückhaltenden Ralf Loose dann doch die alte schwarzgelbe Prägung Bahn: Rückschläge wegzustecken und sich trotzdem unvermindert reinzuhängen sind die elementaren Qualitäten, die er sich auch heute vom Fußballnachwuchs erhofft. „Da haben wir Ruhrgebietsjungs vielleicht oft eine andere Mentalität als Jugendliche, denen es von zu Hause aus materiell überdurchschnittlich gut geht“, sinniert er und schiebt unerwartet deutlich noch eine Kritik hinterher: „Wie viele 35-jährige Trainer über derlei Fähigkeiten denken, weiß ich natürlich nicht. Heute wird ja schon in der C-Jugend über Viererketten philosophiert, anstatt den Jungs erstmal das Fußballspielen beizubringen!“
Für seinen einstigen Kumpel und Weggefährten hat der Ex-Borusse, was die Jugendarbeit angeht, übrigens ausschließlich Lob übrig: Dass sein alter Verein schon wieder zwei gerade mal 17-Jährige am Start hat, die tragende Rollen in der Stammformation spielen, findet er „ausgesprochen erstaunlich“, aber die Transferpolitik des BVB sei nun mal „seit Jahren einfach hervorragend“.
Ob er sich selbst nochmal irgendwann Richtung alte Heimat „transferiert“, wagt der heutige Winterthur-Trainer angesichts des unberechenbaren Fußball-Business‘ nicht zu prognostizieren. Um sich niederzulassen, kommen für Ralf Loose aber offenbar nur die Schweizer Alpen und das Ruhrgebiet in Frage. Ein Kandidat für die schwarzgelbe Traditionself wird aus dem ehemaligen Nachwuchsjuwel zwar nicht mehr – schon alleine, weil der Körper aufgrund alter Sportverletzungen derartige Belastungen nicht mehr zulässt. Der Ort aber, an dem er und Michael Zorc in der Saison 1981/82 ihre Erstligakarriere starteten, wird für ihn immer eine wesentliche Rolle spielen. „Klar“, bestätigt er nachdrücklich, „und umso mehr, weil dort alle meine Freunde mit Jahreskarten auf der Tribüne sitzen. Ich bin also immer bestens informiert!“