Noch so eine Sache, die sich im „modernen Fußball“ ändert: In globalisierten Zeiten wird man zukünftig zu den Gräbern ehemaliger Fußball-Idole in der Regel ziemlich weit pilgern müssen.
Früher hingegen wohnte so mancher schwarzgelbe Star nicht nur fast Seite an Seite mit den Fans, sondern fand auch seine letzte Ruhestätte in der Heimatstadt „um die Ecke“.
Ein echter Pilgerort ist kaum eines der Gräber, das eine oder andere führt sogar ein Schattendasein.
In den letzten Jahren allerdings hat die Traditions-AG des BVB um Ex-Pressesprecher Gerd Kolbe, ihrem Selbstverständnis entsprechend, sich um das Erscheinungsbild und die Pflege einiger dieser Orte gekümmert. Weitere sollen folgen.
Wer sich eine Stippvisite zu den Ruhestätten der einst gefeierten Helden vorstellen kann, findet sie auf Dortmunder Stadtgebiet u. a. hier:
– Lothar Emmerich
Mit 115 Treffern liegt „Emma“ auch heute noch auf Rang 4 der ewigen BVB-Bundesliga-Torschützenliste. Mit einer Quote von 0,63 Toren pro Spiel lässt er hinsichtlich der Effektivität u. a. auch Größen wie Stephane Chapuisat oder Robert Lewandowski hinter sich. Der Dorstfelder Junge wurde konsequenterweise dort zu Grabe getragen, wo er aufgewachsen ist. Auf dem Bezirksfriedhof Marten – unmittelbar an der Grenze zu Dorstfeld gelegen – findet man das Grab des Europapokalhelden von 1965/‘66 und seiner Familie in Feld 29, das dank der Pflege seitens der Traditions-AG in sehr gutem Zustand ist. Geplant ist das baldige Anbringen einer kleinen Ehrentafel.
– Max Michallek
Rund 100 Meter weiter, im Grabfeld 33, stößt man auf Martens Bezirksfriedhof auf einen weiteren großen Namen – einen, der noch ein paar Jährchen vor „Emma“ dem Borussen-Spiel seinen Stempel aufdrückte. Der am Borsigplatz geborene und in der Dreifaltigkeitskirche getaufte Max Michallek ist dabei im Grunde sogar so etwas wie personifizierte BVB-Geschichte. Die „Spinne“, wie man ihn wegen seiner langen Beine nannte, gilt als herausragender Techniker der 1940er und -50er-Jahre. Aus welchem Grunde ihm die Tür zur Herbergers Nationalelf fest verschlossen blieb, ist bis heute Spekulation.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Max Michallek in Dorstfeld. Auch um sein Grab kümmert sich seit kurzem die Traditions-AG und möchte dort eine Ehrentafel anbringen. Aktuell verweist nur der in den Stein eingravierte Fußball auf die Prominenz des am 7. Juni 1985 Verstorbenen.
– Gerd Cyliax
Wie Lothar Emmerich gehörte auch Gerd Cyliax zu jener glorreichen Generation, die sich Mitte der 1960er-Jahre nacheinander Meisterschale, den DFB-Pokal sowie den Europapokal sicherte. Der schnellste Schwarzgelbe seiner Zeit, der in seiner Karriere sowohl als Linksaußen als auch als Rechter Verteidiger überzeugte, stand zunächst für den TBV Mengede auf dem Platz und fand über die Stationen Westfalia Herne und Preußen Münster zum BVB. Auch geht auf Cyliax‘ Konto, glaubt man den Chronisten, der erste direkt verwandelte Eckball der Bundesliga-Historie. Der beliebte Sportsmann starb am 17. Mai 2008. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Friedhof Wickede. Auch ihm möchte die Traditions-AG eine kleine Gedenktafel spendieren.
– Edmund und Gerd Kasperski
Auf alten Fotos würde „Ede“ Kasperski auch als Bruder von Paul Newman durchgehen. Spieltechnisch gehörte der gebürtige Lüner, der am 13. Dezember 2023 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, eher zu den unauffälligen, zeichnete sich aber auch durch vielseitige Einsetzbarkeit sowie Beidfüßigkeit und Kopfballstärke aus. Kasperski, der beim „kleinen BVB“ aus Brambauer begann, spielte bis 1953 bei den Dortmunder Borussen. Das „Kapitel Kasperski“ allerdings war beim BVB mit dem Abschied des am 21. Februar 2005 gestorbenen Kickers noch nicht beendet. Filius Gerd stand zwar nur in den krisenhaften Zweitliga-Jahren für die Borussia auf dem Feld, trug aber von 1975 bis 1977 mit 15 Treffern in 29 Spielen maßgeblich zum Wiederaufstieg des BVB bei. Der „zweite Kasperski“, der mit seinem Vater nicht nur den Nach-, sondern auch den Spitznamen teilte, starb viel zu früh am 19. März 2008 mit nur 58 Jahren. Das Grab der Kasperskis findet sich – in Feld 21 – ebenfalls auf dem Friedhof Wickede. Ein Info-Täfelchen existiert bereits.
– Heinz Kwiatkowski
Was Karl-Heinz Körbel in der Bundesliga ist, das war der „Gentleman“ für die alte Fußball-Oberliga West: Ihr ultimativer Dauerbrenner und Rekordspieler. Tatsächlich stand der erste Weltmeister in Reihen der Borussia vom ersten bis zum letzten Spieltag der Spielklasse ohne Unterbrechung zwischen den Pfosten: In der Summe 409-mal.
Geboren 1926 in Gelsenkirchen (!), kann eine Vita trotzdem kaum schwarzgelber verlaufen als die des beliebten Torhüters. Zweimal errang er mit dem BVB die Deutsche Meisterschaft, hielt nach aktiver Laufbahn noch lange der Traditionsmannschaft die Treue und war zwischenzeitlich 2. Vorsitzender des Ältestenrates der Borussia. Am 23. Mai 2008 – also nur sechs Tage nach Gerd Cyliax – starb er in einem Derner Seniorenheim, beigesetzt allerdings ist er in Hörweite des Stadions und Wohnortnähe: In Feld 21 des Südfriedhofs, auf dem bekanntlich mittlerweile auch BVB-Gründer Franz Jacobi die letzte Ruhestätte gefunden hat.
– Jürgen Schütz
Als Heinz Kwiatkowskis BVB-Karriere auf die Zielgerade einbog, begann bei den Borussen die Zeit von Jürgen Schütz. Von der Lütgendortmunder Urania wechselte „Charly“ ins Stadion Rote Erde und bekam gleich noch einen Spitznamen hinzu: Gemeinsam mit Mannschaftskollege Timo Konietzka bildete er das trickreiche Offensiv-Duo „Max und Moritz“, das u. a. auch mal einen Elfmeter „mit Vorlage“ spielte. Seiner Zeit ein Stück voraus war der Deutsche Meister von 1963, als er 1965 für atemberaubende 600.000 DM nach Italien wechselte, wo er für den AS Rom mit dem italienischen Pokal noch einen weiteren Titel ergattern konnte.
Borussias Torjäger starb mit nur 55 Jahren am 19. März 1995. Auch Schütz‘ Grab befindet sich auf dem Südfriedhof, hier bemüht sich die Traditions-AG aktuell noch um ein Pflegerecht.
– Aki Schmidt
Der „hängenden Spitze“ Alfred Schmidt kam eine maßgebliche Rolle an den schwarzgelben Erfolgen Mitte der 1960er-Jahre zu. Den entscheidenden Treffer im Glasgower Europapokal-Finale etwa leitete „Aki“ mit einem weiten Pass auf Siggi Held ein. Ein wenig im Schatten dieser Erfolge steht, dass es der Berghofer auch als Trainer zu Titelehren brachte: Als DFB-Pokalsieger anno 1970 mit dem damaligen Zweitligisten (!) Kickers Offenbach.
Auch als späterer Fanbeauftragter des BVB machte der kontaktfreudige Stahlarbeiter-Sohn eine gute Figur, und Stadionführungen unter seiner Anleitung waren stets heißbegehrt. Am 11. November 2016 starb er nach kurzer, schwerer Krankheit mit 81 Jahren.
Akis letzte Ruhestätte ist leicht zu finden, muss man hierfür doch keinen Friedhof, sondern das Kolumbarium in der Dortmunder Liebfrauenkirche, Amalienstr. 21 A, und dort den Bereich „Reinoldus“ aufsuchen.
Um sicherzustellen, dass schwarzgelbe Historie auch weiterhin lebendig bleibt, bemüht sich die Traditions-AG inzwischen auch darum, die Grabpflege der legendären Kicker in die „offiziellen“ Hände des Vereins zu legen. Elementare Stücke Zeitgeschichte stellen die letzten Ruhestätten in der Fußballstadt Dortmund in jedem Falle dar.
Der Dank der Anpfiff-Redaktion geht an Borussias Archivar Gerd Kolbe, der sich nicht nur für eine adäquate Pflege der Borussen-Gräber einsetzt, sondern uns auch bei der Recherche zum Artikel ein wenig unter die Arme griff!