Seit dem Jahr 2013 dominiert der FC Bayern München die Bundesliga. Auf Ausrutscher des Abo-Meisters wurde bisher vergeblich gewartet. Ein ernsthafter Verfolger, der den Bayern nicht nur einige Spieltage, sondern längerfristig das Leben schwermacht, hat sich nach 2012, dem Jahr des Dortmunder Doublesieges mit Meisterschaft und Pokal, nicht mehr gefunden.
Bei Diskussionen über das Rennen um die Meisterschaft auch das Team von RB Leipzig zu erwähnen, ruft in Fankreisen häufig die völlige Ablehnung dieses Vereins hervor. Tatsache ist aber, dass fehlende Tradition eines Fußballvereins nicht bedeutet, im Fußball eine untergeordnete Rolle zu spielen. Das hat die vergangene Saison mit der Vizemeisterschaft der Leipziger bewiesen. Ob es Leipzig allerdings gelingt, in Anbetracht der Doppelbelastung durch Bundesliga/Pokal und der erstmaligen Teilnahme an der Champions League, eine ähnliche Rolle wie in der vergangenen Saison zu spielen, kann niemand beantworten. Die Antwort auf die Frage „Wer wird Meister?“ ist daher erneut keine Überraschung. Obwohl die Vorbereitungsspiele der Bayern eher durchwachsen ausfielen und viele Experten eine Verjüngung der Mannschaft als dringend notwendig ansehen, sind die Münchener eindeutiger Titelfavorit. Bei einer Online-Umfrage der Zeitschrift „Kicker“ nannten von knapp 90.000 Befragungsteilnehmern 67 % Bayern München als kommenden Meister. Mit weitem Abstand folgten dann der BVB und RB Leipzig mit 17 bzw. 4 %.
Als Teilnehmer für die Champions League nannten 42 % der Befragten neben Bayern, BVB und Leipzig noch Borussia Mönchengladbach. Den Mannschaften aus Hoffenheim (36 %) und Schalke (29 %) wird zugetraut, sich für die Europa League zu qualifizieren. Interessant ist, dass weder der VFL Wolfsburg noch Bayer Leverkusen bei der aktuellen Kicker-Umfrage als Kandidaten für die Qualifikation in einem europäischen Wettbewerb genannt werden. Das war bei der gleichen Umfrage vor einem Jahr noch der Fall. Bei beiden Teams haben sich die unter den Erwartungen liegenden Tabellenplätze der vergangenen Spielzeit anscheinend ausgewirkt. Stark wird dagegen Aufsteiger Stuttgart eingeschätzt. Weder bei den Fragen „Wer muss in die Relegation?“ noch „Wer steigt direkt ab?“ wird der VFB genannt. Kandidaten für Abstieg oder Relegation sind laut Meinung der Befragten der zweite Aufsteiger Hannover sowie Augsburg, Mainz und der HSV.
Welche Rolle wird der BVB in der kommenden Saison einnehmen?
Es gibt mit Sicherheit leichtere Fragen. Nach dem sommerlichen Transfertheater um die Zukunft von Pierre Emerick Aubameyang (China, Frankreich, Italien, Spanien, England oder doch Verbleib beim BVB?) wurde wenige Wochen später mit Ousmane Dembélé ein neues Kapitel aufgeschlagen. Gigantische Ablösesummen für Spieler, deren Karriere eigentlich gerade erst begonnen hat, werfen die berechtigten Fragen auf: „Wie lange geht das noch gut?“ „Mit welchen sonderbaren Methoden sollen Transfers erzwungen werden?“ und vor allem „Wie reagieren die Fans auf Ablösesummen und Gehälter, deren Dimensionen in der Regel niemand von ihnen in einem „normalen“ Arbeitsleben erreichen kann?“. Unabhängig von den Diskussionen um vollzogene oder mögliche Wechsel stehen die für den sportlichen Betrieb Verantwortlichen, kurz vor Ende der Transferperiode Ende August, vor einem Dilemma. Sollte ein Spieler den Club verlassen, muss für Ersatz gesorgt werden, sofern die entstandene Lücke nicht mit Spielern aus dem bestehenden Kader gefüllt werden kann. Und welcher Spieler ist auf dem Transfermarkt verfügbar und käme infrage? Zu letzterem Aspekt kommt – wie jetzt beim BVB – eine oft ungünstige Verhandlungsposition. Der möglicherweise an einem neuen Spieler interessierte BVB steht wegen der Schließung des Transferfensters unter Zeitdruck. Außerdem muss er mit Gesprächspartnern verhandeln, denen bekannt ist, dass die liquide Situation des BVB, u. a. durch getätigte Spielerverkäufe nicht die schlechteste ist.
Darüber hinaus ist diese Situation für die sportliche Leitung eine äußerst unglückliche. Kurz vor Beginn der neuen Saison fehlt Planungssicherheit. Trainierte Spielabläufe werden durch mögliche Abgänge zum Teil wertlos, geplante Mannschaftsaufstellungen und Taktiken müssen neu konzipiert werden.
Bei aller bestehenden Unsicherheit oder auch Verstimmung über das Verhalten einzelner Spieler sollte aber auch gesehen werden, dass es zu Beginn einer neuen Saison durchaus unangenehmere Begleitumstände geben kann. Und genau das ist die Situation beim BVB, denn der Kader der Dortmunder gehört von seiner Qualität her zweifellos zu den besten der Bundesliga. Zwar haben die Abwehrspieler Sven Bender und Matthias Ginter den BVB in Richtung Leverkusen bzw. Mönchengladbach verlassen, aber mit Ömer Toprak und Dan-Axel Zagadou wurden zwei neue Kräfte für die Defensive eingekauft. Auch der hochtalentierte Emre Mor wird den BVB – nach dem Kenntnisstand bei Redaktionsschluss – voraussichtlich in Richtung Mailand verlassen. Mit Neuzugang Mahmoud Dahoud hat der BVB aber bereits eine neue Alternative für das Mittelfeld. Der Ex-Mönchengladbacher ist zudem vielseitig einsetzbar, da er über Stärken in der Offensive und Defensive verfügt. Mit Maximillian Philipp vom SC Freiburg wurde gezielt die Offensive verstärkt. Aber der Blick der Fußballfans wird sich nicht nur auf die Dortmunder Neuverpflichtungen richten. André Schürrle und Mario Götze stehen vor ihrem zweiten Jahr seit ihrer Ankunft bzw. Rückkehr nach Dortmund. Bei beiden war das erste Jahr im schwarzgelben Trikot von den Leistungen her sehr durchwachsen. Verletzungs- und im Fall von Mario Götze zusätzlich noch krankheitsbedingt konnten sie nicht die Leistungen erbringen, die man sich von ihnen erhofft hatte. Es bleibt zu hoffen, dass ihnen dies in der neuen Saison gelingt. Auch die Liste der verletzten Spieler ist prominent besetzt. Julian Weigl, Marco Reus und Raphael Guerreiro werden noch länger ausfallen und dem Team wahrscheinlich erst im Spätsommer oder Herbst/Winter zur Verfügung stehen.
Alles in allem kein leichtes Umfeld für den neuen BVB-Trainer Peter Bosz. Aber wie schon erwähnt, wahrscheinlich wären Trainer anderer Bundesligavereine froh, über einen Kader von der Qualität des BVB zu verfügen. Jede Mannschaftsaufstellung des BVB dürfte in der kommenden Saison mit hochkarätigen Namen besetzt sein, das Gleiche gilt für die Ergänzungsspieler. Peter Bosz hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er vor allem mit jungen Spielern gut arbeiten kann und nicht scheut, diese auch in wichtigen Spielen einzusetzen. Das Team des BVB bietet ihm dazu hervorragende Voraussetzungen und Peter Bosz wird die Zeit bekommen, seine Spielphilosophie zusammen mit den Akteuren auf dem Rasen umzusetzen. Die Mannschaft verfügt über zahlreiche Spieler, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen und noch viel entwicklungsfähiges Potential besitzen. Dazu kommen international erfahrene Leistungsträger, wie z. B. Schmelzer, Sahin oder Sokratis, deren Wort in der Mannschaft Gewicht hat. Gute Voraussetzungen also, das Saisonziel der direkten Qualifikation für die Champions League zu erreichen. Dass die Mannschaft natürlich auch im laufenden CL-Wettbewerb sowie im DFB-Pokal so weit wie möglich kommen möchte, versteht sich von selbst.
Die Voraussetzungen für eine gute Saison sollten also gegeben sein. So bleibt eigentlich nur, dem Team des BVB zu wünschen: „Alles Gute und viel Erfolg in der Saison 2017/18.“