Ja, sie zeigte sich begeistert vom Unterhaltungswert des Fußballmuseums. Möglichst jede interaktive Station im Fußballmuseum wollte Claudia Roth Anfang September mitnehmen. Doch machte sie deutlich, dass es bei Weitem nicht nur um den Spaß geht: „Das Fußballmuseum ist das Scharnier für den Fußball, der der Kitt unserer Gesellschaft ist.“
Als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages war die Grünen-Politikerin aus der Hauptstadt nach Dortmund gereist – um ihre Partei im Kommunalwahlkampf zu unterstützen, aber auch für einen Austausch mit Roman Weidenfeller und der BVB Fan- und Förderabteilung im Fußballmuseum. Das sehr offene Gesprächsthema lautete „Corona und Fußball“.
Im Rahmen der vorangegangenen Führung durch die Ausstellung wurde Roth noch einmal klar, „welche Kraft der Fußball hat“. Anlass für diesen Ausspruch war der Bildungsansatz des Museums. Auf einem Konglomerat aus Theaterbühne und Kino erwachen aktuelle und ehemalige Fußballgrößen über Projektionen zum Leben. Unter anderem tritt hier Leroy Sané als Zukunft des Profifußballs auf. Im Anschluss an jede Vorführung vor einer Schulklasse blieben die Mitarbeitenden des Museums noch ein wenig mit den Jugendlichen im Saal sitzen, um anhand eines Idols darüber zu reflektieren, was „Deutschsein“ ist, so Museumsdirektor Manuel Neukirchner.
Auf diese Weise kann laut Roth mithilfe des Fußballs „Tendenzen beispielhaft etwas entgegengesetzt werden“. Konkret spricht sie hier von „Hetze gegen Özil“ und „Hetze gegen Boateng“. „Der Fußball überschätzt ganz oft den Sport“, findet Fanvertreter Jan Henrik Gruszecki. Eine sehr große Rolle spiele demgegenüber „das Gemeinschaftsgefühl Stadion“, ein Gefühl, auf das die Fans momentan verzichten müssen. Darin erkennen alle Gesprächsteilnehmenden eine konkrete Gefahr. „Was macht eigentlich Einsamkeit mit den Leuten?“, stellte Roth die hier zentrale Frage in den Raum. Denn auch Aktionen des BVB im Senior*innenheim und in der Kinderklinik fallen derzeit aus. Normalerweise sind es laut Jakob Scholz aus der BVB Fan- und Förderabteilung diese Begegnungen, die „Menschen, die am Rande dieser Gesellschaft stehen“, ins Boot holen.
Auch in Corona-Zeiten „versucht man alles daran zu setzen, dass man auch eine Verbindung zu den Fans hat“, so Roman Weidenfeller als Mitglied des Kuratoriums des Deutschen Fußballmuseums. Aber Gruszecki bringt es auf den Punkt: „Menschliche Wärme kann man schwer digitalisieren.“
Doch auch der Fußball selbst hat sich verändert, der Heimvorteil hat sich vollständig aufgelöst. Um die Fans wieder ins Stadion zu holen, entwickelt der BVB bereits verschiedene Hygienekonzepte für Spiele mit Publikum im Signal-Iduna-Park. Diese reichen von 8.750 bis zu 60.000 Zuschauenden – wobei die Anfahrt mit der U-Bahn nicht außer Acht gelassen werden darf. Für Dauerkarteninhaber*innen soll es ein Losverfahren geben, bei dem alle mal berücksichtigt werden. Ein Versuch, mit Wärmebildkameras die Körpertemperaturen zu messen, ist vor allem an der finanziellen Umsetzbarkeit gescheitert. 140 Kameras bräuchte es für eine umfassende Messung – bei einem Preis von 100.000 Euro pro Kamera. Und dann lässt sich auch über die Körpertemperatur keine Infektionskette verlässlich unterbrechen.
Aber es sind bereits mehrere Wege gefunden. „Man ist auf alles vorbereitet. Man wartet nur auf den Startschuss“, so Weidenfeller. Wann der fallen wird, ist aktuell allerdings noch ungewiss.