„Wenn ich als Nachwuchsspieler eine Flanke bekomme“, erzählt Heinz-Gerd Maikranz, „klopft mir der Ball womöglich gegen den Kopf, springt irgendwohin und ich lauf‘ hinterher. Nuri allerdings hat sich so gestellt, dass er verzuglos weiterspielen konnte. Als Siebenjähriger!“
Dem F-Jugend-Trainer des heutigen BVB-Coachs hört man seine Begeisterung für das Fußball-Juwel, welches das kleine Meinerzhagen seinerzeit hervorbrachte, auch Jahrzehnte später noch deutlich an. Nicht nur ihn beeindruckte dabei von Beginn an insbesondere die Fähigkeit des Knirpses, ein Spiel zu lesen. „Wo muss ich hinspielen, so dass ich meinen Teamkollegen auf die Reise schicken kann und der Verteidiger das Nachsehen hat? In dieser Hinsicht“, führt der Coach aus Kindertagen weiter aus, „war Nuri genial. Und dann in seiner Bundesligazeit zwischen 2010 und 2012 auch sicherlich einer der besten, den wir hierzulande hatten.“
Diese Einschätzung kann auch Mutlu Demir nur unterschreiben. Sahins guter Kollege, der in Kindertagen im gleichen Haus wie der Opa von Nuri wohnte, erinnert sich, wie er uns seine Mannschaftskameraden aus der A-Jugend des RSV Meinerzhagen hin und wieder einen Blick auf die E-Junioren des Clubs geworfen und dort staunend mitbekommen hätten, wie „der kleine Nuri in seiner Altersklasse alles zerlegt“. Immer wieder ziehen Weggefährten in diesem Zusammenhang das Bild des Strategen heran, der obendrein auch die eigene Profikarriere sehr sortiert und ehrgeizig in Angriff nahm, nachdem er den Fuß beim schwarzgelben Bundesligisten in die Tür bekommen hatte. Oder um es mit Mutlu Demirs Worten zu sagen: „Ich kenne keinen professionelleren Profi als ihn!“
In dem Glauben, dass aus einem gewissenhaften Profi mit Übersicht auch ein ebensolcher Trainer werden könnte, sahen sie sich in Sahins Heimatstadt schließlich vor rund neun Jahren bestätigt, als der berühmte Sohn der Stadt gemeinsam mit Bruder Ufuk sowie Mutlu Demir beschloss, dem örtlichen RSV als Teil des Trainerteams sportlich auf die Beine zu helfen.
„Zuerst habe ich gedacht:“, gibt letzterer unumwunden zu, „okay, ein Promi will also seinen Heimatverein sponsern.“ Schnell aber sei offenkundig gewesen, mit wieviel Eifer und Übersicht sich der Ex-Bundesligakicker auch in diese Aufgabe hineingekniet habe. „Diese akribische Planung der Trainingseinheiten“, führt Nuri Sahins Weggefährte weiter aus, „war für uns hier natürlich etwas komplett Neues.“ Auch Ex-Nachwuchscoach Heinz-Gerd Maikranz attestiert seinem ehemaligen Schützling, in seiner alten Heimat erst die grundlegenden Strukturen geschaffen zu haben, um fit für höhere Klassen zu sein. Wie er den in dessen Meinerzhagener Trainerjahren zwischen 2015 und 2021 erlebt hat? „Er weiß“, überlegt Maikranz, „sehr genau, was er will. Und er will auch, dass das exakt so umgesetzt wird.“ Anderenfalls werde der neue BVB-Trainer „zwar sicherlich nicht laut, denn das ist nicht seine Art – aber deutlich.“
Seite an Seite mit Nuri sind Mutlu Demir allerdings noch weitere Qualitäten aufgefallen, die den langjährigen Kollegen als Coach ausmachen: „Zum einen ist er sehr authentisch und dadurch mitreißend. Vor allem aber besitzt Nuri viel Empathie – und die ermöglicht es ihm, zu erkennen, wie der einzelne Spieler bzw. eine Gruppe von Spielern angepackt werden muss. Und genauso ist es im Hinblick auf den Gegner: Nuri ist nicht nur gut vorbereitet auf das andere Team, er empfindet das auch. Und wenn du schnell erfasst, wie dein Gegner tickt, fällt dir das Fußballspielen natürlich leichter. Bei dieser Fähigkeit“, konkretisiert Demir seine Überlegunge, „handelt es sich sogar weniger darum, sich reinzudenken, als tatsächlich mehr um intuitives Verstehen.“
Nicht zuletzt aufgrund dieser Fähigkeit glaubt der Meinerzhagener Mitstreiter fest daran, dass der neue Borussencoach auch im jetzigen Beruf seinen Weg gehen wird. Im Erfolgsfalle irgendwann mal die Bodenhaftung zu verlieren, hält bei Nuri Sahin übrigens keiner der beiden Gefährten für eine realistische Gefahr. „Die Verbundenheit zu seiner Heimat“, weiß Heinz-Gerd Maikranz, „ist ähnlich stark wie die zu Borussia Dortmund.“ Und Mutlu Demir resümiert: „Nuri interessiert nach wie vor, was in Meinerzhagen so passiert. Und ich kann mit ihm nach wie vor über alles mögliche quatschen und ihn immer noch genauso wie früher um Rat und Hilfe bitten“.
