Viel Platz bleibt im modernen Fußball nun mal nicht für Sentimentalitäten. Bzw. viel Zeit. Jetzt sind sie also beide auf einen Schlag weg, die zwei Kicker, die in der schwarzgelben Rangliste der meisteingesetzten Spieler auf Position zwei bzw. vier zu finden sind. Hochdekoriert mit Titeln im BVB-Dress der eine, Pokalsieger und ein Stück Borussia-DNA der andere.
Und selbstverständlich dreht sich der BVB-Globus auch ohne Mats Hummels und Marco Reus weiter. Schon treten andere in die Fußstapfen der beiden und hoffen, es in puncto Popularität womöglich eines Tages mit den Clublegenden aufnehmen zu können.
Für den Verein allerdings hat dieser doppelte Abschied Auswirkungen auf dem Feld und deutlich darüber hinaus: Schließlich ist es für ein Mannschaftsgefüge immer wichtig, „Leitwölfe“ im Team zu haben – in dieser Hinsicht müssen sich die Borussen jetzt also erstmal neu finden. Und auch als Markenbotschafter waren Reus und Hummels seit langem zwei der stärksten Dortmunder Trümpfe, was sich in entlegeneren Teilen der Welt erst einmal beim Verkauf von Trikots und weiteren Merchandise-Artikeln bemerkbar machen mag.
Was Marco Reus angeht, dürfte das Kapitel Borussia Dortmund allerdings längst noch nicht endgültig abgeschlossen sein. Wie sehr sich beispielsweise Aki Watzke über eine Rückkehr des Ur-Borussen in „offizieller Funktion“ freuen würde, konnte die Öffentlichkeit vor einigen Wochen bereits erfahren. Womit sich Borussias Nr. 11 einreihen würde in die große Gruppe Ex-Profis, die im Laufe der letzten Jahrzehnte kleine bis große Aufgaben im Vereinsgefüge übernommen hat und den Laden zu wesentlichen Teilen am Laufen hält.
Zunächst einmal zieht es den heimatverbundenen Kicker zwar – erfreulicherweise – nicht wie so viele Berufsgenossen in Richtung saudi-arabischer Dollars, allerdings nichtsdestotrotz weit von zu Hause weg: Wie es Marco Reus in Übersee bei L.A. Galaxy, quasi auf den Spuren von Kaiser Franz, Bastian Schweinsteiger & Co., ergehen wird, darf mit Spannung beobachtet werden.
Bei Mats Hummels wiederum stellt sich die Angelegenheit anders dar. Obwohl auf der Zielgerade sportlich sicherlich noch ein ganzes Eckchen überzeugender als sein gleichaltriger Weggefährte, war der Innenverteidiger mit den Münchner Wurzeln eben nie ein „mit der Wolle gefärbter“ Schwarzgelber. Seine große Popularität südlich wie nördlich des „Weißwurst-Äquators“ dürfte bei Hummels dabei zu guten Teilen in seinem Image als meinungsstarker, kritischer Geist begründet liegen, der sich auf dem Spielfeld ebenso wenig versteckt wie neben dem Platz.
Umso ungläubiger rieb man sich als BVB-Fan in der Woche vor dem Champions-League-Finale gegen Real Madrid die Augen: In einem Interview mit Sport-Bild waren dem Abwehrrecken Timing und Abstimmung in einem Maße abhanden gekommen, wie sich das wohl nur wenige hätten vorstellen können. Den eigenen Trainer unmittelbar vor dem wichtigsten Spiel der Saison – im Grunde dem wichtigsten Spiel des Jahrzehnts – öffentlich derart zu beschädigen, hätte im Grunde für mehr als eine Suspendierung gereicht. Dass der Vorfall stattdessen erst einmal ein paar Tage lang konsequent wegignoriert wurde, ist auf Seiten des BVB wohl am ehesten mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Pragmatismus zu erklären. Die eigentlich nötige Konsequenz im Handeln jedenfalls hätte die Konzentration auf das anstehende Mega-Spiel womöglich komplett pulverisiert: Eine wahrhaft schwierige Entscheidung.
Dem meinungsstarken Mats Hummels jetzt noch eine Weiterbeschäftigung anzubieten, dürfte seinem meinungsstarken Ex-Mannschaftskollegen Sebastian Kehl allerdings unmöglich gewesen sein, und so endete eine der glorreichsten schwarzgelben Spielerkarrieren Ende Juni mit einem Abgang durch die Hintertür. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob sich der Kicker eines schönen Tages noch zu diesem merkwürdigen Karrierekapitel äußern wird. Vergleicht man Hummels BVB-Zeit mit einem Langstreckenlauf, war das Interview vom 30. Mai jedenfalls so etwas wie ein Wadenkrampf auf der letzten Runde.