Wer in Dortmund psychisch erkrankt oder drogenabhängig ist, hat es schwer, eine Wohnung zu finden. Denn um auf dem leergefegten Wohnungsmarkt etwas zu erreichen, braucht man viel Kraft. Frauen, die diese Kraft aus welchen Gründen auch immer nicht aufbringen können, können vorübergehend in der Frauenübernachtungsstelle unterkommen. Doch dort, in der Prinz-Friedrich-Karl-Straße, fehlt es an Platz.
Deshalb zieht die Frauenübernachtungsstelle zum 1. Februar in das Gebäude des Friederike-Fliedner-Hauses an der Nortkirchenstraße, denn die Rehabilitationseinrichtung wird im Januar in die Kirchenstraße ziehen.
Von Anfang an möchte Ilda Kolenda, Leiterin der Frauenübernachtungsstelle, die AnwohnerInnen in der Nachbarschaft mitnehmen. Deshalb warfen sie und ihre Mitarbeitenden Einladungen zu einem Informationsabend in die Briefkästen. Am 11. Dezember kamen die neuen NachbarInnen ins Gemeindehaus der Herz-Jesu-Gemeinde, um Fragen zu stellen und zu erfahren, was mit dem Einzug der Frauen auf sie zukommt.
Dabei zeigten sie sich grundsätzlich sehr aufgeschlossen. Eher interessiert als besorgt fragte eine Besucherin: „Was machen die Leute den ganzen Tag?“ Darauf hatte Kolenda eine ebenso einfache wie schlüssige Antwort: „Eigentlich müssen die viel, viel laufen, um ihre Existenz wieder sicherzustellen.“ Doch nicht jeden Behördengang müssten die Frauen zu Fuß bewältigen, zumal viele „unabhängig vom Alter“ auf einen Rollator angewiesen seien. Zwar zieht auch das Sozialamt im Januar nach Hörde, aber alles Weitere wird vorrangig über ÖPNV-Tickets gelöst, die die Frauenübernachtungsstelle mit Spendengeldern finanziert.
Etwas besorgter zeigte sich ein Besucher aus dem Kleingartenverein Am grünen Entenpoth. Ohnehin gebe es bereits Probleme mit Drogenhandel und im Verein bestehe die Sorge um die eigenen Kinder. Dennoch räumte er ein, dass die Kleingartenanlage öffentlich sei und die Frauen sich ohne Frage „da aufhalten und bewegen“ dürften. Umgekehrt berichtete Kolenda, dass sie sich bei den Besichtigungen sehr über die Grünanlage gefreut habe, die „ein super Ort zum einfach mal ein Bierchen trinken“ sei. Sie wolle auf jeden Fall die Augen offenhalten und mit dem Kleingartenverein „unbedingt in engem Kontakt bleiben“, um ein friedliches Zusammenleben sicherzustellen.
Doch die suchtkranken Frauen sind laut Kolenda diejenigen, die die Regeln der Frauenübernachtungsstelle und somit auch die Sanktionen am besten kennen – und deshalb auch einhalten. Bis 23 Uhr müssen sie vor Ort sein, vorausgesetzt, sie sind bereits in der Frauenübernachtungsstelle untergebracht. Frauen in akuten Notsituationen werden in vielen Fällen von der Polizei gebracht und unabhängig von Tag und Uhrzeit aufgenommen. Dabei handelt es sich vielfach um Frauen, die über die Mitternachtsmission vermittelt werden. Als Opfer von Menschenhandel kommen sie nach Deutschland, häufig mit bis zu vier Kindern.
Letztere nimmt die Frauenübernachtungsstelle ebenfalls auf, wenn es sich um Jungen bis elf Jahre oder Mädchen handelt. Ältere Jungen sind für die anderen Frauen in den gemeinsamen Schlafräumen nicht zumutbar. Auf die Kinder legen die Mitarbeitenden einen besonderen Fokus und unterstützen beispielsweise bei der Suche nach Kitaplätzen. Sich darüber hinaus mit ihren Kindern zu befassen, geschweige denn mit ihnen auf den Spielplatz zu gehen, können viele der Frauen nicht leisten. „Die Mütter sind einfach gefangen in ihren Gedanken“, sagt Kolenda. In diesen Fällen wendet die Frauenübernachtungsstelle auch Spendengelder für Spielzeug auf.
Ziel ist es, dass die Frauen maximal für zwei Wochen in der Übernachtungsstelle unterkommen. Doch in Anbetracht der gegenwärtigen Lage auf dem Wohnungsmarkt bleiben einige von ihnen bis zu drei Jahre. Ein Besichtigungstermin ist aus einer Wohnungslosigkeit heraus fast nicht zu bekommen. Einige Frauen ziehen in ihrer Not bei neuen, meist männlichen Bekanntschaften ein, ohne dass ihr Name im Mietvertrag auftaucht. Dadurch machen sie sich abhängig und in einigen Fällen führt dies dazu, dass „sexuelle Dienstleistung die Gegenleistung ist dafür, dass man bei einem Mann übernachten kann“, wie Niels Back, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Dortmund und Lünen beschreibt. In ihrer Verzweiflung kehren viele Frauen in die Übernachtungsstelle zurück.
Aufgrund dieser prekären Wohnungsmarktlage ist die Übernachtungsstelle an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße permanent überbelegt, derzeit mit 170 Prozent. Da auch die Stadt Dortmund das Problem erkannt hat, hat sie die Einrichtung einer neuen Übernachtungsstelle ausgeschrieben – mit dem Zusatz, dass eine passende Immobilie mit eingebracht werden muss. Die Diakonie hatte das Glück, über das freiwerdende Gebäude an der Nortkirchenstraße zu verfügen, und wird ab Februar die Frauenübernachtungsstelle in Hörde betreiben. „Vielleicht kommt man ein bisschen mehr zu Ruhe“, fernab der Innenstadt, hofft Kolenda.