„Wer will schon nach Deutschland, wenn er dort weniger darf als da, wo er herkommt?“ Mit dieser rhetorischen Frage knüpfte Prof. Karl Lauterbach bei seinem heutigen Besuch im Klinikum Dortmund das Gelingen der Krankenhausreform unmittelbar an die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Denn seiner Ansicht nach „kann Pflege viel mehr als sie darf“ und unter diesen Voraussetzungen sei die Personaldecke gefährdet. Auch Prof. Dr. Stefan Haßfeld sieht als Geschäftsführer und ärztlicher Direktor des Klinikums hier eine der zentralen Aufgaben: „Die pflegerische Situation ist eine, die entscheidend sein wird.“ Um die Bedingungen für die Pflegekräfte zu verbessern, arbeitet Lauterbach momentan am Pflegekompetenzgesetz, das Pflegekräften mehr Entscheidungsbefugnisse beispielsweise im Bereich von Diabetes, Demenz und Inkontinenz zuspricht. Zukünftig sollen Pflegekräfte unter anderem Material zur Wundversorgung oder Inkontinenzprodukte verschreiben dürfen. Auch auf diesem Weg sollen die Bedingungen für Pflegekräfte an den spezialisierten Krankenhaus-Standorten attraktiver werden.
Diese sollen zukünftig nicht mehr von Fallpauschalen abhängig sein, sondern eine finanzielle Existenzgarantie erhalten. Jedoch gilt das nur für die spezialisierten Standorte, wie es beispielsweise das Klinikum Dortmund im Bereich der Kinderchirurgie ist. Diese umfassende Versorgung der Kleinsten begrüßte Lauterbach in Dortmund besonders: „Die Kinder sind die Zukunft unserer Stadt.“ An diesem Beispiel werde deutlich, warum das Klinikum Dortmund in dieser „Leistungsgruppe“ von der Krankenhausreform profitieren solle: „Für die Verbesserung der Versorgung unserer Kinder.“ Aber auch in anderen Leistungsgruppen zeige das Klinikum Dortmund als „Haus der Maximalversorgung“ eine hohe Spezialisierung und sei damit im Zuge der Krankenhausreform besonders förderungswürdig.
Damit einher geht für Lauterbach jedoch, dass die Finanzierung ebenjener Leistungsgruppen in weniger spezialisierten Krankenhäusern reduziert werde: „Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass kleinere Standorte geschlossen werden.“ Zu spüren bekommen hat das zum Beispiel bereits vor einem Jahr die Ortho-Klinik, die bei steigenden Tariflöhnen das Personal am Standort Hörde nicht mehr bezahlen konnte.
Das Ende der „finanziellen Durststrecke“
Auch das Klinikum Dortmund weist aktuell aus den gleichen Gründen ein Defizit auf. Doch diese „finanzielle Durststrecke“ ließe sich überwinden, sei doch ein Ausgleich der Lohndifferenzen für das Jahr 2024 bereits gesichert, so Prof. Dr. Stefan Haßfeld als Geschäftsführer und ärztlicher Direktor des Klinikums. In der Tat gehe er davon aus, so Lauterbach, „dass das Haus von der Krankenhausreform profitieren wird“, und davon, dass die Reform noch in diesem Jahr beschlossen werde: „Die Reform muss schnell kommen und sie muss für das ganze Jahr ’24 schon wirken.“ Nach Beschlussfassung erhielten die Kliniken zunächstst eine „dreijährige Übergangsfrist“, innerhalb derer sie die Standards für die jeweiligen Leistungsgruppen nachweisen könnten, um die entsprechende Finanzierung zu erhalten. Jedoch würden voraussichtlich nicht alle Kliniken ihr gesamtes Angebotsspektrum beibehalten, sondern eher „Tauschgeschäfte“ beispielsweise mit dem Klinikum Dortmund eingehen. So könne er sich vorstellen, dass ein kleineres Krankenhaus einen Patienten für eine Operation an das Klinikum Dortmund überweise, um anschließend selbst die postoperative Pflege zu übernehmen, so Lauterbach. Diese und andere Entwicklungen würden sich zu einem „Generationenprojekt über zehn Jahre“ entwickeln, vermutet er.
Besonders aus Nordrhein-Westfalen gab es in der Vergangenheit viel Gegenwind in Richtung Bundesreform und NRW entwickelte eine eigene Krankenhausreform. Im Fokus steht hier, dass 90 Prozent der Menschen ein Krankenhaus mit internitischer und chirurgischer Versorgung innerhalb von zwanzig Minuten mit dem Auto erreichen können müssen. „Wir sind auf kein Land so weit zugegangen wie auf Nordrhein-Westfalen“, sagte Lauterbach heute in Dortmund. Inzwischen arbeite NRWs Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann konstruktiv mit der Bundesebene zusammen – aus gutem Grund, so Lauterbach: „Scheitert die Bundesreform, scheitert natürlich auch die NRW-Reform.“ Das allerdings scheint für ihn ein rein theoretisches Konstrukt zu sein.