Auch im zweiten Pandemie-Jahr 2021 blieben viele Klinikbetten in Westfalen-Lippe leer. Das zeigt der Krankenhaus-Report 2022 der AOK NordWest. Danach war 2021 bei allen somatischen Fällen ein Rückgang von 13 Prozent gegenüber 2019 festzustellen. „Der unterschiedliche Pandemieverlauf hat dazu geführt, dass sich die Fallzahl-Einbrüche auch im zweiten Jahr der Pandemie fortgesetzt haben. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie dringend wir eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung brauchen. Wie dies gelingen könnte, zeigt Nordrhein-Westfalen: Statt einer rein bettenorientierten Planung sollen Leistungsbereiche und Leistungsgruppen im Krankenhausplan ausgewiesen und Qualitätsvorgaben für die Versorgungsangebote definiert werden“, sagt Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest.
Nach wie vor Anlass zur Sorge gibt nach Einschätzung von AOK-Chef Ackermann die Entwicklung im Bereich der Notfallversorgung: Beim Herzinfarkt waren 2021 insgesamt sechs Prozent weniger Krankenhaus-Behandlungen festzustellen als vor der Pandemie in 2019. Der Rückgang war damit etwas geringer ausgeprägt als 2020 mit minus sieben Prozent. Die Zahl der Schlaganfall-Behandlungen lag 2021 um vier Prozent niedriger als im Vergleichsjahr 2019. In 2020 betrug der Rückgang minus sieben Prozent. „Die sinkenden Klinikeinweisungen im Zusammenhang mit Notfällen wie bei Schlaganfall oder Herzinfarkt betrachten wir mit Sorge. Wir appellieren dringend an die Bevölkerung, bei Notfallsymptomen auch unter den Bedingungen der Pandemie nicht zu zögern und umgehend den Notruf zu wählen“, rät Ackermann.
Weniger Krebsoperationen
Auch bei den Krebsoperationen waren im vergangenen Jahr weiterhin Fallzahlrückgänge zu verzeichnen. Der Rückgang bei den Brustkrebs-OPs hat sich 2021 mit minus drei Prozent gegenüber 2019 deutlich abgeschwächt, 2020 lag er noch im Vergleich zu 2019 bei minus elf Prozent. Bei den Darmkrebs-Operationen hingegen lag der Rückgang in 2021 im Vergleich zu 2019 weiterhin auf gleichem Niveau bei minus sechs Prozent. Außerdem wurden in den Krankenhäusern pandemiebedingt weniger Darmspiegelungen durchgeführt: Allein im ersten Halbjahr 2021 betrug der Rückgang im Vergleich zum Vergleichszeitraum vor der Pandemie 9,9 Prozent. Für das gesamte Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 lag das Minus sogar bei 12,7 Prozent. „Hier steht die Befürchtung im Raum, dass fehlende Diagnostik und spätere Behandlung zu mehr schweren Krebserkrankungen, höheren Tumorstadien bei der Erstdiagnostik und einer Erhöhung der Sterblichkeit führen“, so Ackermann.
Leere Betten bei planbaren Operationen
Bei den planbaren Operationen wie der Implantation künstlicher Hüftgelenke lag der Rückgang in 2021 im Vergleich zu 2019 bei fünf Prozent, bei der Entfernung der Gebärmutter bei gutartigen Erkrankungen bei minus zehn Prozent. Auffällig ist ein besonders hoher Einbruch bei Mandelentfernungen. Hier gab es ein Minus von 49 Prozent in 2021 im Vergleich zu 2019. „Bei allen genannten Operationen handelt es sich um Eingriffe, die tendenziell zu häufig und teilweise ohne leitliniengerechte Indikationsstellung durchgeführt werden. Insofern gab es im Zuge der Pandemie offenbar auch einen Abbau von Überversorgung bei diesen Eingriffen. Eine vollständige Rückkehr zum Fallzahl-Niveau vor der Pandemie erscheint keineswegs sinnvoll“, betont Ackermann.
Zahl der ambulant-sensitiven Behandlungen gesunken
Bemerkenswert ist die deutlich rückläufige Entwicklung bei den „ambulant-sensitiven“ Indikationen. Dies sind Erkrankungen, die nach Einschätzung von Experten häufig auch ohne Qualitätsverlust ambulant versorgt werden könnten. Hier gab es 2020 und 2021 im Vergleich zu 2019 durchgängig starke Fallzahl-Rückgänge. Sie reichten 2021 von minus neun Prozent bei Herzinsuffizienz-Behandlungen bis zu minus 32 Prozent bei der Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD. „Es liegt nahe, dass die Erkenntnisse zur Fallzahlentwicklung während der Pandemie helfen können, einen dauerhaften Strukturwandel zu befördern. Jedenfalls sollten sie im Rahmen der aktuell anstehenden Krankenhaus-Reform aufgegriffen werden“, fordert Ackermann.