Seit rund einem Jahr dient das Landhaus Syburg als Quarantäne-Quartier für Wohnungslose. Stark frequentiert ist es jedoch nicht. Bastian Pütter von bodo e. V. ahnt, woran das liegt.
„Zurzeit ist niemand im Landhaus Syburg untergebracht“, schrieb Stadtsprecherin Anke Widow letzte Woche in einer E-Mail an unsere Redaktion. Zuvor gab es in der ehemaligen Unterkunft für Geflüchtete zwischen Ende März und Mitte April einen einzigen Gast. Zurückzuführen ist das nicht auf das Bestreben, Obdachlose bevorzugt zu impfen. Das besteht zwar weiterhin, allerdings geknüpft an den Impfstoff von Johnson & Johnson, weil dieser nur einmal gespritzt werden muss – und der lässt auf sich warten.
Sammelunterbringung kann tödlich enden
Pütter zeigt sich nur halb überrascht über die Nachricht, dass sich momentan offensichtlich nicht allzu viele Menschen im Landhaus Syburg einfinden. „Ich dachte, es wären mehr“, räumt er zwar ein. Allerdings ist die Ansteckungsgefahr unter freiem Himmel bekanntlich verhältnismäßig gering. Denn die Sammelunterkünfte meiden die Menschen mehr noch als sonst. „Man bekommt ein hohes Ordnungsgeld, wenn man mit drei anderen zusammensteht, aber dann soll man mit ihnen in einem Zimmer schlafen“, begründet Pütter diese Zurückhaltung.
Erst am 12. April kam es in Münster zu einem Corona-Ausbruch im Haus der Wohnungslosenhilfe. Und wenn so etwas passiert, wird es laut Pütter „schnell tödlich“. Denn tatsächlich trifft bodo im täglichen Kontakt „niemanden, der in irgendeiner Form gesund ist“. Das Leben auf der Straße macht krank. Auch in Münster meldeten die Westfälischen Nachrichten bereits am 16. April einen Todesfall. Um solche Szenarien zu vermeiden, hat sich die Stadt Dortmund ein spezielles System ausgedacht. Wer in der Männerübernachtungsstelle in der Unionstraße unterkommen möchte, wird zunächst aufgefordert, einen PCR-Test zu machen. Ein sinnvoller Ansatz, findet Pütter.
Das städtische Unterbringungskonzept
Der Teufel steckt im Detail. Denn für den Test werden die Männer zum Hausarzt geschickt – in vielen Fällen ohne Krankenversicherung. Also muss zunächst geklärt werden, wer die Kosten für den Test übernimmt. Bis es zu einem Test kommt, sind viele bürokratische Hürden zu nehmen – für die meisten Obdachlosen, die häufig psychisch erkrankt sind, ein Ding der Unmöglichkeit. Und wenn es doch jemand geschafft haben sollte, bleibt die Frage: Wo bleibe ich, bis das Testergebnis vorliegt? Im städtischen Konstrukt kommt hier wieder das Landhaus Syburg ins Spiel, wo sich die Menschen per Taxi hinbringen lassen können – gesetzt den Fall, dass sie in der Lage und bereit sind, das zu organisieren. „Wir haben auch Leute, die haben einen 800-Meter-Radius“, in dem sie sich bewegen, um mit Pütters Worten zu sprechen. Sich da mal eben nach Syburg fahren zu lassen, fordert eine immense Überwindung.
Gleichzeitig stellt Pütter eine andere zentrale Frage: „Will ich da sein?“ Nicht umsonst hat man sich gegen das Landhaus Syburg als Standort für die Frauenübernachtungsstelle entschieden und diese im Januar 2020 an der Nortkirchenstraße eingerichtet. Denn wo kann ich mich in Syburg fußläufig versorgen, wo sind meine sozialen Kontakte? „Es ist wirklich schön da, aber das hilft ja nichts, wenn ich andere Bedürfnisse habe“, bringt Pütter es auf den Punkt.
Es geht auch anders
Eigentlich aber geht diese Tendenz zur Einzelunterbringung aus Pütters Perspektive in die richtige Richtung. Grundsätzlich müsse man „wegkommen von diesen Sammelunterbringungen“ – auch unabhängig von Corona. Denn dann „zwingt man nicht fünf psychisch kranke Leute in einen Raum und hofft, dass morgens noch alle gesund sind“. Dass andere Wege möglich sind, haben bodo, das Gast-Haus und das Team vom Wärmebus in den ersten Monaten dieses Jahres gezeigt. Unter dem Motto „Bett statt Schlafsack“ mieteten sie ein Hostel am Wall an. Statt „Probleme“ zu machen, boten die Wohnungslosen sogar ihre Hilfe beim Putzen an, wie Pütter von dem Hostelbesitzer erfuhr. Da dieser durch die Aktion zu etwas mehr finanzieller Sicherheit in der Krise kam, ergab sich insgesamt eine „Win-win“-Situation.
Nicht nur aus diesem Projekt weiß Pütter: „Wenn ich gute Angebote schaffe, werden unsichtbare Menschen plötzlich sichtbar“, denn sie möchten teilhaben. Umgekehrt könnte es also durchaus an der Angebotsstruktur liegen, dass im Landhaus Syburg so wenig Wohnungslose unterkommen. Aber Pütter sieht noch einen anderen Grund für den geringen Bedarf nach Plätzen im Quarantäne-Quartier: „Wer draußen schläft, wird nicht getestet.“