Sportlerernährung ist eine äußerst komplexe Wissenschaft, und jährlich kommen neue Erkenntnisse hinzu. Fakten von Pseudo-Wissen zu trennen, ist dabei nicht selten eine heikle Angelegenheit.
Den Kickern vergangener Jahrzehnte hingegen wären heutige Ernährungspläne wahrscheinlich wie purer Science Fiction vorgekommen, beschränkten sich die damaligen Vorgaben doch oft auf den dringlichen Rat, nicht mit Übergewicht aus der Spielpause zurückzukehren.
VB-Ikone Siggi Held etwa erinnert sich: „Jeder hat gegessen, was ihm geschmeckt hat – und das so lange, bis er satt war.“ Gut, in einer Hinsicht war man seiner Sache in den 1960er-Jahren allerdings sicher: Der Homo sapiens als solcher ist ein Fleischesser – das obligatorische Steak durfte mittags auf dem Teller demzufolge nicht fehlen. Und auch noch ein paar Jährchen später galt, wie sich kein geringerer als Kaiser Franz Beckenbauer erinnerte: „Eine Schweinshaxe um 23 Uhr vor einem wichtigen Spiel war früher das Normalste der Welt.“
Wobei Siegfried Held in dieser Hinsicht übrigens einer der wenigen Skeptiker und damit seiner Zeit ein gutes Stück voraus war: Er nämlich ließ die Steaks in Trainingslagern für gewöhnlich in der Pfanne liegen.
Was dagegen heutzutage in den Sportlermägen landet, hat sich zuvor in zahlreichen Studien als nützlich erwiesen: Fußballer sind eben nicht zuletzt auch ein Wirtschaftsfaktor. Was aber andererseits nicht heißt, dass nicht doch noch hier und da Raum für persönliche Marotten und Vorlieben bliebe.
In diesem Zusammenhang kommt man am Namen Erling Haaland selbstverständlich nicht vorbei. Denn auch, wenn man den Kalorienverbrauch eines Berufsfußballers pro Spiel bei ungefähr 1000 kcal verortet, verbreiteten sich die „Ernährungsgeständnisse“ des ehemaligen schwarzgelben Star-Stürmers vor einigen Jahren wie ein Lauffeuer. Der nämlich gab seinen persönlichen täglichen Energiebedarf mit 6000 kcal an – und damit nicht genug: Haalands ganz persönlicher „Superfood“ sind Rinderherz bzw. Rinderleber. Von deren energiefördernden Wirkung, erzählte er Journalisten, sei er fest überzeugt.
Da würden ihm die Beruskollegen Luca Waldschmidt und Benedikt Höwedes womöglich mit Nachdruck widersprechen. Sowohl der Freiburger Profi als auch der Ex-Blau-Weiße haben sich bereits vor Jahren für einen konsequent veganen Speiseplan entschieden. Zu diesem Maß von Konsequenz ist offenbar nicht jeder bereit, Nationalkicker Serge Gnabry etwa hielt es vor einigen Jahren komplett fleischlos nur einige Monate aus. Auch andere Bundesligaprofis haben für sich einen Kompromiss gefunden: Dortmunds Abwehr-Routinier Mats Hummels beispielsweise hat „echte“ durch Sojamilch ersetzt und hält sich nach eigener Aussage beim Konsum von Fleisch und Käse sehr zurück.
Ohnehin setzt sich unter Ernährungsfachleuten immer mehr die Erkenntnis durch, dass individuelle Stoffwechsel auch individueller Nahrungsgewohnheiten bedürfen. Das lässt – gerade bei den Stars der Branche – dann auch Spielraum für Schrulligkeiten wie die von Robert Lewandowski, der sein Mittagessen grundsätzlich in umgekehrter Reihenfolge – also Nachtisch-Hauptgang-Suppe – zu sich nimmt, oder Cristiano Ronaldos Credo, nicht nur den Schlaf, sondern auch das Essen auf sechs Mini-Portiönchen über den Tag zu verteilen.
Abgeschlossen wird das Thema, was Spitzensportler zu sich nehmen sollten, womöglich nie mehr sein, Ernährungsberater gehören genauso unverzichtbar zum Personal der Top-Vereine wie Fitnesstrainer _ an Beispielen wie BVB-Profi Julian Brandt ist abzulesen, wie sehr ein Club von der richtigen Weichenstellung profitieren kann: Der Borusse führt seine bemerkenswerte Entwicklung der letzten Zeit auch auf gluten- und histaminfreie Nahrung zurück.
Auch beim Essen wird der Kicker-Kosmos also immer ausgefeilter und professioneller, aber schließlich erwartet der Fan von seinem Team ja auch Leistungen auf absolutem Spitzenniveau. Die gemütlichen Zeiten, an die sich z. B. Ex-BVB-Regisseur Marcel Raducanu erinnert, kommen sicher nicht wieder. Der resümiert im Rückblick auf die 1980er: „Bei uns war privat eigentlich nur Rauchen verboten. Es war ja auch keiner da, der dir da etwas hätte sagen können. Wer hätte das sein sollen, der Masseur? Also hat jeder einfach das gemacht, was er für richtig hielt. Ich hab‘ beispielsweise festgestellt, dass ich in den zwei Tagen vor einem wichtigen Spiel besser keinen Sex haben und keinen Wein trinken sollte: Das war dann also mein Plan!“