Ärzt:innen, die eine Hormonsprechstunde anbieten, „kriegen Geld dafür, dass sie Hormone verschreiben“. Was die Baroper Gynäkologin Heidi Wortelmann vermisst, ist die „Sprechstunde“ hinter dem Wort „Hormonsprechstunde“: „Es gibt kein Geld für das Gespräch mit kranken Frauen.“ Und hier setzt eine der Forderungen an die Politik an, die die Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Frauenverbände beim ersten Dortmunder Frauengesundheitstag formulierte.
„Datenlücken“ im Bereich der weiblichen Gesundheit
Rund 120 Frauen waren im Werkssaal der DSW21 zusammengekommen, um sich hier zum Thema „Unser Körper, unser Leben!“ zu informieren, sich auszutauschen, Probleme zu diskutieren und entsprechende Forderungen abzuleiten. Nach einigen Grußworten, unter anderem durch Ursula Bobitka als Vorsitzende der AG Dortmunder Frauenverbände, präsentierte Dr. Franziska Prütz als stellvertretende Projektleiterin über die Ergebnisse des Frauengesundheitsberichts des Robert-Koch-Institutes.
Im Rahmen ihrer Arbeit hatte sich die Annahme bestätigt, „dass Frauen und Männer unterschiedlich sind in ihrer Gesundheit“. Der Bericht zeigt auch, dass es umfangreiche „Datenlücken“ gibt. Ein Beispiel ist die Datenlage zu geschlechterbezogenen Unterschieden in der Arzneimitteltherapie, da viele Studien vorrangig an männlichen Probanden durchgeführt wurden. Gerade bei der zunehmenden Nutzung von KI im Gesundheitswesen dürfte diese männlich zentrierte Datenlage ein Risiko für Frauen darstellen, glaubt Gynäkologin Wortelmann.
Wechseljahre und Menstruation als „Tabuthemen“
Auch im Alltag fehle die „Awareness“ für gesundheitliche Themen von Frauen, glaubt Wortelmann. So befänden sich in Deutschland aktuell rund neun Millionen Frauen in den Wechseljahren. Zwei Drittel von ihnen hätten mit Beschwerden zu kämpfen, rund ein Drittel benennten gar „sehr schwere Beschwerden“. Die häufigen psychischen Auswirkungen führten vielfach zu der Diagnose „Burnout“, so Gisela Ausbüttel von der Ausbüttels Apotheke. Wiederum unangemessen oft zieht diese Diagnose laut Wortelmann nach sich, dass Frauen Valium und andere Psychopharmaka verschrieben werden: „Vielleicht könnte man ihnen mit einfachen Maßnahmen helfen“. Hierfür jedoch – und da schließt sich der Kreis – wären umfassende Beratungsgespräche vonnöten, die sich die Mediziner:innen erst leisten können müssen.
Aber nicht nur in gynäkologischen und internistischen Praxen spielen diese Themen eine Rolle. Auch in der Arbeitswelt könnten einfache Schritte zum Wohlbefinden der Frauen beitragen, glaubt die Vorsitzende der AG Dortmunder Frauenverbände Bobitka. Ein Arbeitsplatz am Fenster bei Hitzewellen, mobiles Arbeiten und Home Office zeigten häufig einen deutlichen Effekt, aber gerade im beruflichen Kontext handele es sich bei der Menopause um ein „Tabuthema“ – und zwar nicht nur bei den Arbeitgebenden, sondern auch bei den Frauen selbst: „Hinterher werde ich abgestempelt als die Emotionale, Psychotische, Kranke.“
Im Allgemeinen wirke „die Bagatellisierung der gesamten Problematiken“ diskriminierend auf Frauen, auch in jüngeren Jahren, so Gisela Ausbüttel. „Ach, die hat wieder ihre Tage“, stelle beispielsweise eine Aussage dar, die viele Frauen zu vermeiden suchen, in dem sie den Umstand ihrer Menstruation verbergen. Eine zielführende Auseinandersetzung mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie beispielsweise einer Endometriose sei vor diesem Hintergrund massiv erschwert.
Finanzielle und psychische Probleme bei Schwangerschaftsabbrüchen
Richtiggehend unter Druck gesetzt fühlen sich laut Bobitka Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen – ebenso wie die Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Auf diese Weise bleibt das Netz entsprechender Praxen klein oder schrumpft sogar. Die betroffenen Frauen wiederum müssen Schwangerschaftsabbrüche aus eigener Tasche zahlen, was bei finanziell schwächeren Frauen zu gefährlichen Versuchen führt, den Fötus anderweitig loszuwerden. Und das vor dem Hintergrund, dass sozial schlechtergestellte Frauen ihre Gesundheit ohnehin schlechter einschätzen als Frauen mit höherer Bildung und höherem Einkommen.
Mit diesen Beispielen lieferten einige der Referentinnen im Rahmen eines Pressegesprächs lediglich einen Ausschnitt aus dem Themenfeld Frauengesundheit, das im Rahmen des Frauengesundheitstages in verschiedenen Bar Sessions beleuchtet wurde. Doch am Nachmittag verließen sie den DSW21-Werkssaal mit einer Überzeugung, mit der sie ihn am Vormittag bereits betreten hatten: Beim Thema Frauengesundheit ist in unserer Gesellschaft das letzte Wort noch lange nicht gesprochen und der Erste Dortmunder Frauengesundheitstag hieß genau so, weil auf ihn weitere folgen sollen.