Im Juni hat Christian Preußer Enrico Maaßens Platz als Trainer der U23 beim BVB eingenommen. „Wir in Dortmund“ hat mit ihm darüber gesprochen, welche Pläne er mit den Jungs hat und wie er seine eigene Rolle sieht.
Was muss man über Sie wissen, wenn man BVB-Fan ist und jetzt mit Neuem rechnet?
Vielleicht den sportlichen Werdegang, der vielleicht erstmal am interessantesten ist. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen und dann durch das Sportstudium nach Thüringen gekommen, wo ich meine erste höherklassige Profi-Station bei Rot-Weiß Erfurt hatte. Da bin ich vom Nachwuchstrainer zum Cheftrainer geworden. Insgesamt waren es dort sieben Jahre. Von Erfurt kam ich zum SC Freiburg, wo ich dann fünf Jahre am Stück gearbeitet habe. Das war eine ganz andere Region, eine ganz andere Mentalität der Menschen als in Berlin und Erfurt. In Freiburg war es eine sehr erfolgreiche Zeit, weil wir mit der zweiten Mannschaft zweimal aufgestiegen sind, von der Oberliga bis in die dritte Liga. Nach dem Aufstieg bin ich dann im Sommer 2021 zu Fortuna Düsseldorf gegangen. Das war schon eine harte Erfahrung, nicht nur aus sportlichen Gründen, auch wegen des ganzen Drumherum. Im Februar war dann Schluss in Düsseldorf und ich hatte das erste Mal die Zeit, mal alles zu reflektieren, Urlaub und Pause zu machen und ein bisschen Abstand zu gewinnen. Das habe ich in den letzten drei, vier Monaten genutzt. Ja, und dann ging es relativ schnell. Da kommt Freitag ein Anruf von Ingo Preuß und dann trifft man sich und drei Tage später ist man bei Borussia Dortmund II und freut sich sehr, dass man hier ist. Das wäre jetzt die absolute Kurzfassung.
Sie sprachen gerade von der Mentalität der Menschen. Wie ist denn die Mentalität in Dortmund?
Ganz offen, ganz ehrlich, ganz klar heraus. Wenn man in die Stadt geht oder mit den Menschen außerhalb von Fußball zu tun hat, finde ich sie schon sehr offen, sehr direkt. Ich bin auch im Verein sehr freundlich aufgenommen worden, mir wurde alles gezeigt, sehr fürsorglich. Das war ein toller Start hier, weil die Jungs, das Trainerteam und alle, mit denen ich zu tun habe, sehr positiv mir gegenüber waren, und das hilft sehr, sich schnell einzuleben.
Was Sie gerade übersprungen haben, als Sie Ihren Werdegang geschildert haben, ist Ihre eigene Zeit als Spieler. Warum haben Sie das getan?
Ich habe mich nur auf die Trainertätigkeit bezogen, weil ich sehr früh schon als Trainer angefangen habe. Ich habe in Berlin auch selber gespielt, aber es war relativ schnell klar, dass ich kein Profifußballer werde. Das konnte ich relativ schnell auch selbst reflektieren. Und dann habe ich mit 17 schon angefangen – deshalb war die Spielerzeit relativ kurz – die U15 meines Heimatvereins zu trainieren. Da war ich dann erfolgreich und so bin ich dabei geblieben. Als ich das erste mal auf dem Trainingsplatz stand, war schon klar, dass ich das gerne machen möchte. Es erfüllt mich sehr, Trainer zu sein und mit einer Mannschaft zu arbeiten und Dinge zu entwickeln. Das hat mir von Anfang an großen Spaß gemacht. Dass es dann aber so kommt, wie es gekommen ist, lässt sich natürlich nicht planen. Da waren ein paar glückliche Momente in Erfurt dabei, dann in Freiburg und auch 2013 mit dem Praktikum hier, mit dem Fußball-Lehrer-Lehrgang 2014. Da gibt es so viele Sachen, bei denen man auch Hilfe von anderen braucht, und die hatte ich zu den günstigen Zeitpunkten. Ich habe aber auch viel dafür gearbeitet.
Sie haben die Hospitanz bei Herrn Klopp schon angesprochen. Was haben Sie davon mitgenommen?
Das hätte ich mir ein, zwei Jahre früher nicht vorstellen können, dass ich mein Praktikum bei Borussia Dortmund machen darf. Das war im Zuge des Fußball-Lehrer-Lehrgangs. Jürgen Klopp war sehr aufgeschlossen und hat mir wirklich alles gezeigt. Ich durfte überall dabei sein, hatte damals auch schon Kontakt zum Nachwuchs und zur U23, also war wirklich in allen Bereichen. Inhaltlich habe ich ein paar Sachen mitgenommen. Auch wie man mit einer Mannschaft umgeht. Wobei das ja mit den sechs Wochen nur ein Ausschnitt einer Saison war. Aber was ich gesehen habe, war schon cool und kann man für sein Trainerdasein mitnehmen.
Wie lief der Fußball-Lehrer-Lehrgang ab?
Neben dem fachlichen Input tauscht man sich fast ein Jahr mit Trainerkollegen aus, die auch höherklassig gearbeitet haben. Die Gruppe war ganz unterschiedlich zusammengesetzt. Wir hatten sehr prominente Trainer, aber auch Trainer aus dem Nachwuchsbereich. Die Dinge, die dort vermittelt werden – Trainingswissenschaft, Fußballlehre, Ernährung, Interviewschulung – nimmt man natürlich auf. Aber ich fand es fast genauso wichtig, dass man einen Austausch mit Trainerkollegen hat, Erfahrung aufnimmt und weitergibt. Es war eine gute und lehrreiche Zeit hat, die auch sehr anstrengend war, weil ich auch viel pendeln und weiterhin viele Aufgaben im Verein erledigen musste. Aber ich nehme einfach von den Trainerkollegen ganz viel mit und das hat sich nach dem Lehrgang gehalten. Wir haben auch noch Kontakt zueinander.
Fehlte Ihnen inhaltlich ein Bereich?
Ich finde, zu dem Zeitpunkt war das eine gute Ausbildung für mich. Von daher würde ich sagen, dass mir nichts gefehlt hat. Dass sich die Ausbildung weiterentwickelt hat und heute neue Aspekte dazugekommen ist, ist ganz normal.
Insbesondere bei Ihrer Arbeit in Erfurt stand die Pädagogik stark im Vordergrund. Inwiefern wirken sich Ihre Erfahrungen in diesem Kontext auf Ihren Umgang mit den jungen Spielern beim BVB aus?
Das stimmt, was Sie sagen. Zunächst habe ich dort als Praktikant angefangen, war dann U19-Trainer und zum Schluss auch noch NLZ-Leiter. Da hat man einfach alle alle Einblicke, man lernt von der Pieke auf. Ich hatte mit Lehrern zu tun, weil die Jungs in der Schule Themen haben. Dann sind da noch die Eltern, die Spielerberater und die Trainerkollegen, weil ich damals auch für die Trainer verantwortlich war. Sie merken, dass ich da unheimlich viel gemacht habe. Das war die anstrengendste Zeit, aber gleichzeitig auch die coolste, weil ich alles machen konnte. Was ich daraus mitnehme? Dass ich in alle Bereiche schauen konnte, alle Facetten kennenlernen durfte, vom U12-Problem bis zum Profigeschäft. Ich bin dann dort auch Cheftrainer geworden. Wir haben extrem viel entwickelt, da bin ich auch stolz drauf. Wir haben das NLZ zertifizieren lassen, haben interne Trainerausbildungen gemacht. Schade war, dass Rot-Weiß Erfurt später finanzielle Probleme bekommen hat, sodass das leider nicht fortgeführt werden konnte. Aber ich bin der Zeit sehr dankbar. Es war sehr facettenreich, ich konnte alles aufsaugen.
Wie hat sich Ihre Arbeit seit Ihrem Start mit 17 Jahren entwickelt?
Man verändert sich, ganz klar. Ich habe heute das Gesamte mehr im Blick, nicht immer nur die ganz kurzfristigen Sachen. Die Themen sind ja die gleichen. Ich habe mit Spielern zu tun, denen es gut geht, die regelmäßig spielen – und ich habe mit Spielern zu tun, die nicht spielen, die unzufrieden sind. Ich muss schon sagen, dass ich über die Zeit Trainerjahreerfahrung gewonnen habe. Ich kann behaupten, dass ich jetzt viele Situationen schon einmal erlebt habe. Was kann aus Spielern werden? Wie lange braucht es, um Spieler zu entwickeln? Es kann bei dem einen auch mal ein, zwei Jahre länger dauern als vielleicht persönlich gewollt.
Den Nico Schlotterbeck habe ich zwei Jahre lang in Freiburg trainiert. Und jetzt spielt er hier bei Borussia Dortmund in der Bundesliga. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie die ersten ein, zwei Jahre waren. Da war auch nicht alles so reibungslos und ich glaube, Nico hätte auch nicht gedacht, dass das so eine tolle Sache wird. Bei der ganzen Hektik, dass die Jungs immer jünger werden und mit 17 in die Bundesliga müssen, darf man nicht vergessen, dass man auch einfach Zeit braucht für junge Spieler.
Neue Sachen entwickeln sich, ich habe jetzt viele Leute kennengelernt, hatte auch mit unterschiedlichen Trainerkollegen zu tun im Trainerteam. Man entwickelt sich permanent weiter und doch ist gleichgeblieben, dass mir das unheimlich viel Spaß macht und dass mich Niederlagen nach wie vor noch nerven. Das wird sich wahrscheinlich auch nie ändern. Wenn wir ein Spiel verlieren, bin ich zwei Tage einfach nicht gut drauf.
Welche Auswirkungen hat es, dass Sie als verhältnismäßig junger Trainer diese sehr junge Mannschaft trainieren?
Ich glaube schon, dass ich relativ nahe an der Mannschaft bin, ohne zu nahe zu sein, aber tatsächlich ist es ein wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. In Erfurt, wo ich Cheftrainer war, waren die Spieler teilweise älter als ich. Das gibt es jetzt nicht mehr. Ich würde mich trotzdem als Trainer sehen, der nahe an der Mannschaft ist, der die Belange noch kennt, aber jetzt auch nicht zu nahe ist. Das ist wirklich spannend.
Sie sagen, dass es normal ist, dass viele Spieler ein wenig Zeit brauchen, um Profi zu werden. Andererseits ist es ja Ihre Aufgabe, Profis zu entwickeln.
Genau. In dem Spannungsfeld sind wir, dass sie trotzdem alles dafür tun, dass sie sich nicht ausruhen mit dem Gedanken: Naja, ich kann das auch in ein, zwei Jahren schaffen. Sie müssen schon maximal alles abarbeiten, sie müssen maximal professionell sein, sie müssen ganz gewissenhaft im Athletiktraining sein, sie müssen ganz genau zuhören, wie wir es machen wollen. Das ist ja genau die spannende Aufgabe, dass man das alles unter einen Hut bringt und trotzdem den Spielern Zeit gibt, sich zu entwickeln, weil es manchmal einfach ein bisschen länger dauert und das ist überhaupt nicht schlimm.
Sehen Sie denn schon jemandem, bei dem es nicht mehr so lange dauern wird?
Da bin ich immer ganz vorsichtig, wenn ich ehrlich bin. Ich glaube, dass es gut ist, dass man mal so drei, vier Monate in der Saison abwartet. Ich kann sagen, dass wir richtig spannende, talentierte Jungs haben, die es schaffen können. Geben Sie uns mal noch ein paar Monate.
Haben Sie sich schon etwas zur Spielweise überlegt?
Klar, als Trainer hat man ja eine Spielweise und die verändert sich manchmal, aber nicht mehr sehr viel. Wir arbeiten mit Jungs, die 18 bis 21 sind, da wollen wir natürlich offensiv auftreten. Wir wollen laufstark sein, wir wollen Tempo ins Spiel bringen. Das sind Attribute, die aber nicht nur für Christian Preußer gelten, sondern auch für Borussia Dortmund. Und es ist wichtig, dass wir uns ganz genau angucken: Was macht die U19? Was macht die U17? Was machen die Profis? Das soll schon alles in einem Rahmen sein und da geht es um Offensiv-Power und um Dynamik, um Eins-gegen-Eins-Situationen. Dafür wollen wir stehen. Da passt die Philosophie von Borussia Dortmund ganz gut zu mir.
Offensiv-Power, sagen Sie, mit welchem Saisonziel vor Augen?
Über allem steht die dritte Liga, die sehr anspruchsvoll ist. Als Mannschaft haben wir das Ziel, dass wir so schnell wie möglich in der Liga bleiben, dass wir den Klassenerhalt schaffen und darüber hinaus wollen wir mutigen und offensiven Fußball spielen. Wir sind jetzt mit einem Unentschieden gestartet, jetzt haben wir ein relativ hartes Auftaktprogramm, dann müssen wir mal schauen, wie wir uns nach vier, fünf Spieltagen einordnen. Über allem soll aber stehen, dass wir in der Liga bleiben.
Was verändert sich mit dem Trainerwechsel in der U23? Was machen Sie anders?
Dazu kann ich gar nichts sagen, weil ich Enrico Maaßen nicht persönlich kenne. Natürlich haben wir uns im Trainerteam darüber ausgetauscht, was vorher war, aber das haben wir mit den Jungs besprochen, dass das gar nicht mehr so eine Rolle spielen soll. Ich sehe viele Sachen, die trainiert worden sind, darauf kann ich zugreifen. Wir machen es so, wie wir uns das vorstellen.
Spielt der Fußball in Berlin noch eine Rolle für Sie?
Den verfolge ich. Mein Heimatverein ist auch ganz ambitioniert und erfolgreich: VSG Altglienicke Berlin. Die spielen in der Regionalliga und wollen immer in die dritte Liga aufsteigen. Ich hoffe, dass sie es dieses Jahr schaffen.
Möchten Sie noch etwas ansprechen, worauf Sie besonderen Wert legen?
Mir ist einfach wichtig: Mir macht das hier großen Spaß, ich habe das hier sehr schnell schätzen gelernt. Ich bin mit großer Motivation dabei und wir wollen erfolgreichen Fußball spielen.