Vor einem halben Jahr machte Türkspor Dortmund sein Meisterstück perfekt: Mit dem Aufstieg in die Regionalliga gelang nicht nur der insgesamt sechste (!) Aufstieg der letzten Jahre, man drang zudem in Sphären vor, die abgesehen von den BVB-Amateuren seit vielen, vielen kein Dortmunder Club mehr gesehen hatte.
Seither aber muss sich der scheinbar unaufhaltsame Türkspor-Express erstmals seit langem mit einer ganz speziellen Situation auseinandersetzen: Der nämlich, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. In der Theorie war den Rotweißen dabei sicherlich bewusst, welch scharfer Wind in der höheren Spielklasse weht: An Beispielen von Vereinen, die sich mit ihrem „Projekt Regionalliga“ verhoben und anschließend Jahre brauchten, um den „Patienten“ wieder zu stabilisieren, herrscht schließlich kein Mangel.
Die Realität allerdings traf die Dortmunder dann dennoch mit voller Wucht, zur Saisonhalbzeit stehen zwei Trainerwechsel und ein letzter Tabellenplatz zu Buche. Bei 13 Punkten Abstand zum rettenden Ufer scheint es bereits jetzt nur noch um Schadensminimierung zu gehen. Was aber für den sportlichen Leiter und Interimscoach Bülent Kara keineswegs heißt, der Club bereue mittlerweile sein „Abenteuer Regionalliga“.
Das zwischenzeitliche „doppelte Exil“ des Vereins in der IMS Arena in Velbert möchte Kara zwar im Grunde sportlich nicht als Ausrede gelten lassen, kann das Thema dann aber doch nicht „außen vor“ lassen: „Finanziell hat uns das schon extrem belastet“, gesteht er ein. „Zumal wir am Anfang beim Umzug nach Velbert ja eher gedacht haben, es geht nur um ein paar Tage. Wir hatten also immense Kosten, die vorher nie Teil der Budgetplanung waren. Das hat dann natürlich für zusätzlichen Stress gesorgt.“ Hauptursache für die sportliche Talfahrt aber sei schlicht gewesen, „dass wir die Regionalliga noch nicht kannten und uns an das neue Niveau erst gewöhnen mussten.“ Auch die Umstellung von Kunst- auf Naturrasen sei sicherlich eine gewisse Herausforderung. Und schließlich hingen, gibt er zu bedenken, selbst Traditionsvereine wie Düsseldorfs oder Schalkes „Zweite“ unten mit drin.
Um das Wort „aufgeben“ macht Kara trotzdem einen großen Bogen: „Jetzt haben wir ein Stadion, mit dem wir planen können und zu dem der Weg nicht so weit ist. Wir kennen sowohl die Regionalliga mit ihren Abläufen als auch unsere Gegner viel besser. Plus: Wir haben uns punktuell verstärkt. Es ist also keine Frage, dass wir alles geben werden, um in der Liga zu bleiben – wir haben schließlich auch eine große Community, viele Menschen, die uns unterstützen.“ Und falls es am Ende doch nicht klappt? Dann werde man, versichert der Sportliche Leiter, im nächsten Jahr in der Oberliga mit einem guten Team neu angreifen und an der Rückkehr arbeiten. Denn: „Die Regionalliga ist extrem schwer, aber eben auch eine tolle Liga.“
Ein deutliches Lebenszeichen immerhin hat der Patient bei den Hallen-Stadtmeisterschaften gesendet, die gleichzeitig den Schlussstrich unter Bülent Karas Trainer-Intermezzo zog. Nicht immer mit Glanz und Gloria, aber durchweg mit Kampfgeist machten die Rot-weißen am zweiten Januar-Wochenende in der Helmut-Körnig-Halle das „Projekt Titelverteidigung“ perfekt. „Auf jeden Fall“ habe dieser Titel inklusive Last-Minute-Sieg im Finale seinem Team einen Push verliehen. „Man muss ja“, resümiert Kara zufrieden, „vier oder fünf Turniertage lang Leistung bringen, um diesen Cup zu holen – diese Meisterschaft kriegt man in Dortmund nicht geschenkt.“ Dem neuen Trainer Max Borchmann sowie dem neuen Sportchef Sandy Röhrbein vertraue man voll. Mit gezielten Verstärkungen bemühe man sich nun darum, sich zu einem „echten Regionalligisten“ zu entwickeln.
Klingt zumindest, als ob ein Abstieg den Verein aus der Nordstadt tatsächlich nicht von der Schiene heben und an den Rand des Zusammenbruchs bringen würde. Trotz des sehr unsicheren Happy Ends also fast wunschlos glücklich – kann das wirklich stimmen?
Naja, ein Thema schwebt selbstverständlich über allen anderen und wird den höherklassigen Dortmunder so unverbrüchlich die Treue halten wie der treueste Fan: „Immer noch hoffen wir“, bestätigt Bülent Kara, „dass die Stadt Dortmund eines Tages eine eigene Sportstätte schafft, der von Regionalliga-Clubs genutzt werden kann. Das ist nicht nur im Interesse von Türkspor Dortmund, sondern von allen. Man hat doch an der Stadtmeisterschaft gesehen, wie viele tolle Vereine es in Dortmund gibt. Die Perspektive, für einen Regionalligisten in Dortmund zu spielen, wäre für alle ein Traum. Allerdings waren viele Vereine nach meiner Einschätzung auch etwas erschrocken, was wir in dem Zusammenhang in letzter Zeit so alles durchmachen mussten.“