Vor knapp 20 Jahren ging Thomas Raphael einen ungewöhnlichen Schritt. Beruflich in der Snackindustrie tätig, war ihm im Jahr 2005 „die alte Biermarke Bergmann vor die Füße gefallen“, wie er selbst sagt. Bald machte er sich zusammen mit Herbert Prigge auf den Weg, die Marke „wiederzubeleben“ und gründete 2017 die Bergmann Brauerei auf Phoenix West. Dort haben wir ihn getroffen und sind mit ihm eingetaucht in die Geschicke der einzigen handwerklichen Dortmunder Brauerei.
Wie ist es dazu gekommen, dass die Bergmann Brauerei hier auf Phoenix West gelandet ist?
Ich bin in den 70er-Jahren in Dortmund groß geworden, als wir noch Bierstadt Nummer eins waren. Mich hat es immer sehr negativ beeindruckt, dass so viel Bierkultur aus Dortmund verschwunden ist. Nachdem ich die Marke Bergmann entdeckt hatte, hatten wir zunächst unser Büro in der Ritterstraße und haben dann 2009 eine kleine Brauerei im Hafen auf die Beine gestellt. Aber das war irgendwie zu eng und passte auch nicht wirklich. Dann haben wir ab 2015, 2016 geguckt, wo man in Dortmund eine größere Brauerei hinstellen könnte. Erst haben wir in Huckarde geschaut, im Bereich der Kokerei Hansa. Das wäre ganz schön gewesen, passte aber letztlich nicht.
Und dann sind wir hier auf Phoenix West gelandet. Unser damaliger Markenmanager hat gesagt: „Das ist toll, im Schatten des Hochofens eine Brauerei mit einer alten Marke hinzustellen, weil man dann sofort den Bezug sieht und man muss gar nicht mehr viel erzählen.“ Was ganz schön ist, ist, dass man hier auch gut mit dem Fahrrad hinkommt.
Nun gab es bereits Diskussionen über einen Ausbau. Wie ist da der Stand der Dinge und womit ist zu rechnen?
Wir haben eigentlich immer schwarze Zahlen geschrieben. Von daher wachsen wir auch und wir würden uns in Dortmund auch gerne weiter ausbreiten. Es ist allerdings wirklich schwierig, Standorte zu finden. Konkrete Pläne gibt es aktuell keine. Außerdem sind wir dabei, das Geschäft in die nächste Generation zu übergeben. Von daher muss die nächste Generation auch ein bisschen gucken, wo sie denn eigentlich landen will.
Ist es nicht sehr gewagt, aus dem Nichts eine Brauerei aufzubauen?
Es ist einfach so eine verrückte Geschichte, die dadurch entstanden ist, dass wir das immer nebenbei gemacht haben. Ich habe diese Marke gefunden und eigentlich immer einen richtigen Job gehabt, genauso wie mein Mit-Geschäftsführungspartner Herbert Prigge. Wir haben unser Geld verdient und haben nebenbei diese verrückte Idee entwickelt. Das heißt, wir haben das gemacht und waren eigentlich unsicher, ob das funktionieren würde.
Aber es hat funktioniert. Alle Dortmunder waren froh, dass wir Dortmund eine kleine private Brauerei zurückgegeben haben. Und wir mussten eigentlich nie Bier verkaufen. Wir haben Bier verkauft. Das heißt, da war auch immer so eine gewisse Lockerheit und Gelassenheit bei der ganzen Sache, die sich auf unsere Marke ausgewirkt hat. Wir mussten nicht wie die Großen besondere Preise, attraktive Angebote abgeben, sondern wir konnten einen auskömmlichen Preis halten.
Wie viel produzieren Sie denn an einem Brautag?
Wir können mit einem Sud 2.000 Liter brauen. Es ist aber auch möglich, dies mehrfach am Tag zu tun. Im Winter wird das weniger, aber zum Frühjahr hin wird das wieder mehr, weil man dann Saison und einen höheren Absatz hat.
Das sind die technischen Bedingungen. Gibt es andere Herausforderungen in Dortmund, die das Brauen schwierig machen oder vielleicht sogar fördern?
Die Brauzunft ist eigentlich sehr kollegial. In Dortmund war das nicht immer der Fall. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb so viele Brauereien aus Dortmund verschwunden sind. Die Großbrauereien haben uns nicht immer mit offenen Armen empfangen. Wir sind auch am Anfang nicht in die Gastronomie gekommen. Das schaffen wir jetzt erst. Vorteil ist natürlich, dass wir eigentlich nie wirklich einen Wettbewerb hatten. Wir waren hier die einzige vernünftige handwerkliche Brauerei. Mittlerweile gibt es einige neue zusätzliche Ansätze, worüber wir uns freuen, aber wir haben eine Nische ausgefüllt und von daher war das auch einfach in Dortmund.
Wo landet denn das Bier, dass Sie brauen?
Natürlich in den durstigen Kehlen der Dortmunder und unserer Besucher. Am liebsten natürlich hier in der Stehbierhalle, weil das Bier, was wir hier brauen, in Tanks gekühlt wird und dann direkt an die Theke geht.
Wir sind nach wie vor regional tätig, in Dortmund und in der Umgebung. Das geht bis nach Bochum, Lünen, Unna, Schwerte. Aber aufgrund unserer Logistik schaffen wir das nur regional. Und wir sind auch ganz zufrieden damit, so regional zu sein.
Das ist ja auch in gewisser Weise ein ökologischer Ansatz.
Unsere Transportkosten sind dadurch natürlich im Rahmen. Unser Getreide stammt aus dem Münsterland. Hopfen wird hier nirgendwo angebaut, den müssen wir dann schon aus Süddeutschland holen. Aber ja, wir haben natürlich Energieverbrauch und wir überlegen gerade, wie wir da noch besser werden können.
Wir kriegen jetzt in den nächsten Monaten eine Photovoltaikanlage. Das wird nicht unseren Energiebedarf decken. Aber wir sind schon in der Richtung unterwegs. Und ja, wir haben da Spaß dran. Das ist automatisch so, wenn man regional ist, ist man ein bisschen ökologischer als multinationale Konzerne.
Welche Neuerungen bietet denn Ihr Sortiment?
Wir brauen alle zwei Monate etwas, was wir Sud des Monats oder Sud der Saison nennen. Wir gehen damit ein bisschen auf die saisonalen Geschmäcker ein. Von daher gibt es regelmäßig was Neues. Das letzte war jetzt ein kaltgehopftes Bier, ein 72er. Im Moment lagert in den Tanks ein Maibock. Den wird es in einigen Wochen geben.
Und was er seit einigen Wochen bei uns gibt, ist ein alkoholfreies Bier. Das ist eine Anforderung, der wir uns stellen wollten. Das ist uns sehr gut gelungen. Es schmeckt nicht allen – wie immer –, aber den meisten schmeckt es und uns schmeckt es. Von daher sind wir sehr froh, dass wir auch ein alkoholfreies Bier im Programm haben.