„Ich will, dass ihr in Panik geratet!“ Diesen Satz der Klimaaktivistin Greta Thunberg griff Igor Jablunowskij mit seiner Malerei vor einigen Jahren auf und polarisierte damit gewaltig. Auch seine Nachbarin und Kollegin Stefanie Becker löst mit ihren Plastiken sehr unterschiedliche Reaktionen aus. Und zwischen ihrem Haus in der Suebenstraße und dem Jablunowskijs befindet sich noch ein weiteres Atelier. Hier arbeitet Karla Christoph.
Karla Christoph und die „Menschen im Raum“
Ist Christoph als freie Künstlerin tätig, entstehen vor allem Minifilme, „noch kürzer als Kurzfilme“. Sie selbst spricht von einem „bewegten Bild“. Für Ausstellungen inszeniert sie diese „Filmschnipsel“ über eine Art Medienbruch, indem sie einen Bilderrahmen um den Bildschirm installiert. So lässt sie Wasser ans Ufer branden und diese Sequenz im nächsten Moment rückwärts ablaufen. Und dann ist es keine Brandung, sondern Stimmengewirr, das zu hören ist. „Gegenläufig“ hat sie dieses Werk genannt. Dann wieder entwickelt Christoph Schablonen und sprayt ihre Figuren auf ungewöhnliche Strukturen. Bislang ging es ihr dabei um den „Menschen im Raum“. Inzwischen aber gesellt sich ihrer Thematik über „Begegnungsfragmente“ ein zweiter Mensch hinzu. Wenn sie jedoch mit Kindern und Jugendlichen Großformate gestaltet, hält sie sich „thematisch auch raus“ und leitet eher aus technischer Perspektive an. So wie momentan in der Gesamtschule Gartenstadt, wo sie mit Schüler*innen ein Wandbild erarbeitet. Klassische „Auftragsarbeiten“ aber „mache ich nicht“.
Der Traum als Thema: Igor Jablunowskij
In diesem Sinne arbeitet Christoph grundlegend anders als ihr Nachbar Jablunowskij, der über Aufträge „meine freie Malerei und mein Leben“ finanziert. So hat er zum Beispiel für Jürgen Kleinert Immobilien eine Fassade an der Gildenstraße mit Dortmunder Sehenswürdigkeiten gestaltet. Seinen Auftraggebenden setzt er dabei fast keine Grenzen. Aktuell präsentiert er auf Facebook eine Arbeit aus dem Jahr 2018. Durch Wandmalerei hat er ein Privatschwimmbad mit griechischen Säulen und einem Blick über das Meer versehen. Sobald das Geld da ist, um frei zu arbeiten, bricht er auch bei sich selbst mit allen Schranken. „Wovon ich gestern geträumt habe, das ist mein Thema heute.“ Nicht selten setzt er dabei Mensch und Natur ins Verhältnis, wenn beispielsweise ein kleines Mädchen ein Krokodil „erbeutet“ oder eine Frau ein Ei auf dem spitzen Fingernagel balanciert. Dass letztere zumindest im Schulterbereich nackt ist, ist nichts Ungewöhnliches. Doch nur die „Aphrodite“ setzt ihren baren Brüste aktiv in Szene. Ansonsten sind die Frauenkörper schlicht da und niemals geht die Nacktheit ins Äußerste. Dennoch sieht sich Jablunowskij gelegentlich mit Vorwürfen konfrontiert.
Ein „Körpergefühl“ in Stefanie Beckers Garten
Für Jablunowskijs Kollegin Becker ist das Befremden, das damit einhergeht, Alltag. Ältere Damen weisen einander beschämt auf das ein oder andere hin, während sie zwischen Beckers ausgestellten Plastiken flanieren, Eltern verwehren ihren Kindern den Blick. „Das ist auch so eine Plastik, die polarisiert“, sagt Becker, eines ihrer „kubischen“ Werke in der Hand. Es ist offensichtlich: An den ineinander verschlungenen Körpern zählt man drei Köpfe. „Aus dem Sport, aus der Bewegung, aus dem Körpergefühl entstehen“ Beckers Figuren. Doch zwischen der Rankhilfe in menschlicher Gestalt an Beckers Fassade, die sich im vollen Sprint zu befinden scheint, und dem kleinen kubischen Paar in Missionarsstellung auf einem Stein in ihrem Garten, eröffnet sich für ihre Kunst ein weites Feld. So ist es vielleicht die kleine Meerjungfrau, die mit gehexten Beinen stumm an Beckers Teich hockt, und vielleicht ist es auch Buddha, der im Lotussitz unter ihrem Kirschbaum meditiert. Gemein zu haben scheinen all diese Figuren vor allem dieses tief empfundene „Körpergefühl“.
Was sich hier im Garten hinter dem Haus verbirgt, was sich hinter den Fenstern ein Haus und zwei Häuser weiter abspielt, ist von der Suebenstraße aus nicht zu erkennen. Nur ein Phoenix mit blätternder Farbe auf einer Bretterwand lässt etwas ahnen. Doch der, darin sind sich die Urheberin Christoph und ihr Nachbar Jablunowskij einig, verlangt nach baldiger Auferstehung.