Die Schulzeit, mahnt Comedian Thomas Hermanns, sei für viele queere Menschen das schlimmste Kapitel ihres Lebens. Am Paul-Ehrlich-Berufskolleg (PEBK) allerdings arbeiten sie schon seit einigen Jahren daran, der Individualität aller Schüler:innen gerecht zu werden – und dies im Ursprung nach einem Impuls der Schülervertretung.
In der Zwischenzeit konnten bereits einige konkrete Projekte wie die Eröffnung des Queer & Friends Cafés oder die Schaffung einer Diversity-Toilette umgesetzt werden. Anfang Februar nun erntete das Kolleg die Früchte seiner Bemühungen mit der Zertifizierung zur „Schule der Vielfalt“.
Als erste Bildungseinrichtung dieser Art in Dortmund – und zufälligerweise als exakt 100. Projektschule in Nordrhein-Westfalen – schreibt sich das PEBK die Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt ganz offiziell auf seine Fahnen.
Zum Projektstart unterstrich Schulleiter Friedrich Kuß die Wichtigkeit von Toleranz für kreatives Denken und persönliche Freiheit. Mit der Zertifizierung werde man nun nicht zuletzt auch Teil eines Netzwerks, in dem man als Partner viele Erfahrungen austauschen und somit „nicht nur nimmt, sondern auch geben kann“. Mit seiner eindringlichen Mahnung „Sie alle entscheiden jeden Moment, wie Sie ihr Leben gestalten“ brach der Schulleiter eine Lanze für offenes, eigenverantwortliches Handeln auch über den Anlass dieses besonderen Tages hinaus.
Im Anschluss nahm NRW-Landeskoordinator Frank Pohl diesen Faden auf und beleuchtete sowohl die praktischen Umsetzungsmöglichkeiten des Vielfaltsgedankens in der Schule als auch die Widrigkeiten. „Das, was wir hier heute starten“, erinnerte er, „wäre z. B. in Ungarn gesetzlich verboten!“
Auch am PEBK wurde im Übrigen im Zuge der Feierstunde hörbar deutlich, dass Schulleitung und Schülervertretung wohl die Mehrzahl, nicht aber die komplette Schulgemeinschaft auf ihrer Seite hatten. Was man als Ärgernis hätte einordnen können – Friedrich Kuß indes blieb seinen Grundsätzen treu, vernahm die kritischen Stimmen, ignorierte sie nicht und appellierte an die Zwischenrufer, auch hier gemeinsam einen Dialog hinzubekommen.
Das Prinzip Vielfalt wandte das Orga-Team im Übrigen auch auf den Ablauf der Feierstunde an. Eine gute halbe Stunde lang ausschließlich Reden und Präsentationen: Das hätten womöglich nur die wenigsten als kurzweilig empfunden. Und so holte man sich als Verstärkung Poetry-Slammerin Jana Goller hinzu, die dem Publikum zwei ihrer Texte zum Thema servierte.
Zugleich startete am PEBK mit der Veranstaltung die Projekt-Woche „Couragierte Schule der Vielfalt“ inklusive einer Podiumsdiskussion zum Thema „Geschlechtervielfalt“.