Saghar Seyedloo hat einen Kulturschock zum Beruf gemacht. Als sie im Jahr 2011 zum Studium nach Deutschland kam, habe die Bürokratie sie „erschlagen“, sagt sie. Nun arbeitet die Sozialarbeiterin bei „lokal willkommen“ in Hörde, wo sie die Menschen unter anderem in bürokratischen Fragen unterstützt. Viele der im neuen Band „Vielfalt in Hörde. Portraits und Geschichten aus dem Stadtteil“ vorgestellten Hörder*innen sind so wohl auf die ein oder andere Weise mit Seyedloo in Kontakt gekommen.
Froh, in Hörde zu leben
Insgesamt ist „schon der Ton“ in den 32 Geschichten, dass die Menschen froh sind, in Hörde zu leben oder zu arbeiten, hört Ingibjörg Pétursdóttir heraus. Als Geschäftsführerin von CHANCENGLEICH in Europa e. V. hat sie den schmalen Band mit herausgegeben, gemeinsam mit ihrer Kollegin Anna-Marie Wahle ein Konzept entworfen und die Redaktion übernommen. Und lauscht man ein bisschen, erhärtet sich der Eindruck, dass sie Recht behält. „Hier habe ich tolle Nachbar:innen und neue Freunde gefunden“, zitiert Autor Klaus Hartmann etwa die Übersetzerin Lydia Schlekies, die seit dem Jahr 2011 in der Seydlitzstraße lebt.
Ankommen über Barrieren
Doch das Ankommen verläuft nicht immer barrierefrei, wie CHANCENGLEICH-Mitarbeiterin Wahle aus ihren täglichen Begegnungen im Hörder Zentrum für Vielfalt weiß, das der Verein im Jahr 2020 Am Heedbrink eröffnete: „Es sind Geschichten und Berufe, die die Leute mitbringen, die sie hier gar nicht ausleben können.“ So hat Masoameh Mitra Delshad in Teheran persische Literatur studiert, doch ihr Abschluss wird in Deutschland nicht anerkannt. Im Shingalgebirge war Jamal Murad Lehrer, aber jetzt lebt er in Deutschland. Englisch, Französisch, Arabisch und Deutsch spricht Nadia Lahouaoui, nun arbeitet sie als alleinerziehende Mutter.
Es spielt „keine Rolle, wo du herkommst“
All diese Geschichten hat Autor Hartmann aufgeschrieben – und von jeder Person oder Gruppe ein Foto gemacht. Dafür suchte er mit den Menschen für sie wichtige Orte in Hörde auf, insistierte „Wir müssen auch mal was anderes zeigen“, wenn alle am Phoenix See abgelichtet werden wollten. Besonders beeindruckt das Bild von Martin Pense in der Lutherkirche, das den Pfarrer in seiner unkonventionellen Art an einer der Bänke lehnend in diesem doch sehr religiösen Umfeld zeigt.
Beschäftigt man sich bei der Lektüre des Bandes vorrangig mit Zuwanderungsgeschichten, so werden diese immer wieder unterbrochen, ohne einen Bruch darzustellen. Neben Pense stehen zum Beispiel Heimatforscher Willi Garth und Unternehmerin Clara Hedwig. In Hörde spiele es „keine Rolle, wo du herkommst“, sagt die fünfzehnjährige Schülerin Shorouk.
Auf die Vielfalt im Stadtteil hinweisen
Genau um diese Vielfalt geht es bei dem Buch-Projekt, sagt CHANCENGLEICH-Geschäftsführerin Pétursdóttir: „Diese Broschüre haben wir gemacht, um auf die Vielfalt im Stadtteil hinzuweisen.“ Und weil es ebendiese Vielfalt nicht nur in Hörde gibt, will der Verein neben den Interviewten und den eigenen Partner*innen im Stadtteil auch andere Organisationen in Dortmund mit „Vielfalt in Hörde“ versorgen – als Beispiel dafür, wie man den Menschen eine Stimme geben kann.