“Sie könnten doch was sagen”, ist ein Vorschlag, den Stephanie Withake recht häufig hört. Dann nämlich, wenn eine Familie auf eine religiöse Trauerfeier verzichtet und die Bestatterin des Bastattungshauses Bertram in Eichlinghofen als einzige Ansprechpartnerin für die Gestaltung des Abschieds zur Verfügung steht. Und da sich die 55-Jährige den Wünschen ihrer Kundschaft nicht verweigern möchte, hat sie sich nun ausbilden und zertifizieren lassen – zur Trauerrednerin.
Aufarbeitung und Empathie
Über zwei Monate hinweg traf Withake sich alle zwei Wochen jeweils für ein Wochenende mit Trauerrednerin Beate Schwedler, Schauspieltrainerin Barbara Müller und sieben weiteren Menschen, die die Ausbildung absolvierten, im Haus am Gottesacker gegenüber des Hauptfriedhofes. Dort ermöglicht eine Trauerhalle die weitgehend lebensechte Imitation einer Trauerfeier, inklusive Musik und Urnenbeisetzung.
Die erste der drei Reden, die Stephanie Withake im Kontext der Fortbildung hielt, fußte auf einer fiktiven Geschichte. Auch das Trauergespräch war lediglich inszeniert. Emotionaler wurde es dann, als die Teilnehmenden sich gegenseitig die Geschichten ihrer verstorbenen Angehörigen erzählten, um sich gegenseitig Stoff für weitere – und diesmal weitaus echtere – Reden zur Verfügung zu stellen. Dafür versetzten sie sich zurück in die Zeit unmittelbar nach dem Verlust, “das heißt, das arbeitest du dann auch nochmal auf”, so Withake.
Was aber im Rahmen dieser Übung entstand, beeindruckt die Bestatterin noch immer. “Ganz emotionale Reaktionen” habe man untereinander ausgelöst, erzählt sie: “Manche haben auch so eine liebevolle Stimme.” Hier kam Schauspieltrainerin Müller ins Spiel, die die Teilnehmenden stets ermutigte, auf gewisse Dinge noch einmal den Fokus zu legen, “aber immer positiv” auf die Lernenden zuging. Withake fühlt sich wertgeschätzt: “Ich bin ich, als Stephanie, 55 Jahre, so wie ich bin.”
“Werte aufräumen”, um den Verstorbenen “gerecht zu werden”
Wertschätzend geht Stephanie Withake auch mit ihrer Kundschaft um: “Man möchte die Angehörigen trösten, aber man möchte den Verstorbenen gerecht werden.” Dafür hält sie es für wichtig, “dass man für sich mal Werte aufräumt”. Denn auch eine Suchterkrankung gehört beispielsweise zum Leben eines Menschen: “Wir wurden schon ermutigt, auch Dinge anzusprechen.” Dabei erinnert sich die Bestatterin an einen jungen Mann, deren Angehörige sie einmal nach seinem Goldenen Schuss begleitet hat. Wert legt Stephanie Withake darauf, in einer Trauerrede zu verdeutlichen, was den Verstorbenen “typisch macht, was ihn auszeichnet”.
Um die Verstorbenen vermittelt über ihre Angehörigen kennenzulernen und anschließend eine gute Trauerrede schreiben zu können, haben die Teilnehmenden der Fortbildung einen Fragebogen erarbeitet, der zur Vorbereitung des Trauergesprächs dient. Durchaus können sich aber noch einmal zwei Stunden im persönlichen Austausch anschließen. “Du musst nochmal eintauchen”, beschreibt Stephanie Withake den Schreibprozess, für den sie unter Umständen auch “geschichtlich was aufarbeiten” muss, um den Lebenslauf der verstorbenen Person nachvollziehen zu können. Auch “ein kleiner Schmunzler” ist erlaubt, findet sie. Diese Arbeit lässt sich aus ihrer Sicht keinesfalls zügig abarbeiten: “Du gehst schwanger mit einer Trauerrede.”
Ein Netzwerk für die Trauerrede
Während des Seminars, berichtet Withake, “warst du nie passiv, du warst immer aktiv”. Wenn sie gerade einmal nicht diejenige war, die eine Rede hielt, nahm sie die Rolle einer Angehörigen, einer Schwester oder Ehefrau, ein. Dabei stellte sie sich die Frage: “Wie fühle ich mich in dieser Trauerrede berücksichtigt?” Doch gerade diese enge Zusammenarbeit mit den anderen Teilnehmenden und die wechselseitige Auseinandersetzung ist, was der Bestatterin während des Lehrgangs besonders viel gegeben hat: “Das war schön, das war eine super Gemeinschaft.”
Nutzen will sie das kleine Netzwerk in Zukunft für das Bestattungshaus Bertram, um ihren vielgebuchten Kooperationspartner um weitere Trauerrednerinnen zu ergänzen. Denn die eine oder andere Frau im Portfolio zu haben, kann aus ihrer Perspektive nicht schaden. Auf Wunsch will sie zukünftig auch selbst “was sagen”, denn nach diesen zwei Monaten hat sie in das Metier der Trauerreden wohl mehr als nur hineingeschnuppert.