Ist Speiseeis politisch? Offenbar, denn im Jahr 1934 verbot die Hitlerregierung Hermann Kleckers – um mit den Worten der Südwest-Zeitung zu sprechen – „Wandergewerbe“ mit der kühlen Süße, das er auch in Hombruch betrieb. Als erfolgreicher Autoschrauber hatte er zuvor „20 Eiskarren am Laufen“. Die herausnehmbaren Wannen erlaubten es ihm, auch im Winter ein attraktives Angebot zu machen. „Obst, Gemüse, Südfrüchte, Räucherwaren und Fisch“ gab es bei ihm zu kaufen. So hielt er sich gut – bis zum besagten Verbot. Die Hombrucher*innen allerdings mussten nur vorübergehend auf ihr Eis verzichten. Bis heute ist das Angebot nicht abgerissen und noch immer eng mit persönlichen Geschichten verknüpft.
Heute bucht man dort, wo die Menschen früher ihr Speiseeis genossen, eine Reise. Denn wo um 1935 das Café Wielers die köstliche Masse anbot, befindet sich heute das Reisebüro Hartmann. Die Reiseführer dazu gibt es gute hundert Meter weiter an der Ecke Ginsterstraße. Ab den 30er Jahren bot Konditor Rudolph in der heutigen Mayerschen Buchhandlung – damals war es die Gaststätte Hausberg – sein eigens hergestelltes Eis an. Im Jahr 1956 verlegte er sein Geschäft in die Singerhoffstraße 1, den heutigen Anbau des Lebensmittelladens „Landgut“.
Und das echt italienische Eis?
Aus heutiger Sicht stellt sich da die Frage: Wo blieb das italienische Eis in Hombruch? Denn für die italienischstämmige Eiskonditorin Tiziana Blüthgen-Riva ist das Muster eindeutig: Süditaliener eröffnen Restaurants, Norditaliener Eisdielen. Tatsächlich schätzt sie, dass allein aus ihrem Heimatort Conegliano in der norditalienischen Provinz Treviso rund 5.000 Menschen stammen, die eine Eisdiele besitzen – in Anbetracht einer Bevölkerungszahl von rund 35.000 eine beträchtliche Menge. Inzwischen betreiben auch ihr Onkel und ihre Tante sowie ihre Cousine ein Eiscafé.
Auch Blüthgen-Rivas Eltern gehörten zu denjenigen, die im Ruhrgebiet mit der Eiskunst ihr Glück suchten. Zunächst in Duisburg, entdeckten sie dann die Eisdiele Pra, die an der Ecke Harkortstraße/Singerhoffstraße inzwischen den Konditor Rudolf abgelöst hatte. Im Jahr 1966 übernahmen die Rivas die Räumlichkeiten und führten sie als „Eiscafé Riva“ weiter.
Zwei Jahre später eröffnete Familie Fistarol das Eis-Café Venezia an der Harkortstraße 95. Dennoch gefährdeten die beiden Betriebe sich gegenseitig nicht. Als Venezia im Jahr 1993 25-jähriges Jubiläum feierte, bezeichnete die Südwest-Zeitung die Eisdiele als „ein festes Stück Hombruch“. Bis heute kaufen viele Hombrucher*innen hier ihr Eis.
Eine Familiengeschichte rund um’s Eis
In der Singerhoffstraße wurde zwischenzeitlich die kleine Tiziana geboren. Doch die Eltern hatten alle Hände voll zu tun. Wer eine Eisdiele betreibt, muss „mit dem Job verheiratet sein“, weiß Blüthgen-Riva heute. Damals hatte der Beruf ihrer Eltern weitreichende Konsequenzen für ihre Schwester und sie selbst. Die Mädchen wurden nach Italien zurückgeschickt „und dann hat Omma auf uns aufgepasst“. In Conegliano „wurden wir in so eine Privatschule gesteckt“. Nur in den Ferien trafen die Kinder ihre Eltern. Dennoch hielt Blüthgen-Riva auch nach dem Abitur die Verbindung zu ihrer Familie aufrecht. Statt, wie es ursprünglich ihr Plan war, zu studieren, „bin ich nach Deutschland gekommen zum Helfen“.
Dabei fiel der jungen Tiziana etwas auf: „Das Eis hier in Deutschland ist ganz anders als in Italien.“ Um das Handwerk zu lernen, entschied sie sich deshalb für einen Ausbildungsgang in Vittorio Veneto – ebenfalls in Treviso – und darf sich seit dem Abschlussjahr 1997 offiziell Diplom-Eiskonditorin nennen. Noch im gleichen Jahr begann sie an der Harkortstraße „am Fenster Eis zu verkaufen“, nur 300 Meter entfernt vom Eiscafé ihrer Eltern. Doch die Nachfrage war groß genug, beide Betriebe liefen gut – bis im Jahr 2006 Tizianas Vater starb.
Nach dem Tod ihres Mannes sah sich Frau Riva bald überfordert und gab das Eiscafé um das Jahr 2010 herum schließlich auf. Heute „ist sie in Italien und genießt hoffentlich noch lange ihre Rente“, sagt ihre Tochter Tiziana. Sie selbst aber ist Hombruch noch immer treu und denkt in die Zukunft. Die Stammkundschaft, die sie teilweise von ihren Eltern übernommen hat, macht es ihr leicht. Tatsächlich gibt es Menschen, die ihr Eis jeden Tag im Eiscafé Tiziana genießen. Gerade nach dem langen Lockdown nimmt Blüthgen-Riva eine steigende Nachfrage wahr – und eine wachsende Arbeitsbelastung. „Ich habe jetzt zum Glück ein paar gute Mädels gefunden“, zeigt sie sich erleichtert, denn es fänden sich nicht viele junge Menschen, die „Lust haben, das zu lernen“. Trotz dieser momentanen Entspannung zeigen sich auch Sorgen im Gesicht der Eiskonditorin, der niemand sagen kann, wie der Herbst für die Gastronomie verlaufen wird.
Über historische Fotos zum Thema, insbesondere vom Eiscafé Pra freut sich Heimatforscher Ludwig Bücking: (Telefon 0231/713696)