Ich* stehe mit Jonas Herbertz auf dem Baroper Marktplatz, als eine Frau mit ihrem Auto in einer der Parkboxen hält und Herbertz zu sich heranwinkt. Nach kurzem Wortwechsel entschuldigt er sich und verschwindet im Kiosk. Kurz darauf steht er wieder neben mir: „Die Dame bat mich, ihren Lottoschein abzugeben.“
„Geselligkeit“ und „ein Ort des Verweilens“
Es ist der Kiosk, der diesen kleinen Platz zwischen Baroper Bahnhofstraße und Menglinghauser Straße dominiert. Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Kiosk-Kultur in Dortmund, angestoßen durch die Lehrenden Dr. Katrin Gliemann und Nick Nowara, hat Herbertz mit seinen Kommiliton*innen von der TU Dortmund in den letzten Monaten unter anderem das Erfolgsmodell von „Lotto Seel“ ermittelt. Mit literarischen Lesungen und anderen Veranstaltungen fungiert die Trinkhalle für Herbertz’ Mitstudenten Christoph Brockmann, der inzwischen zu uns gestoßen ist, als „kleines Paradebeispiel“. Doch mit jeder Veranstaltung, jeder Ausweitung der Öffnungszeiten steigt auch die Arbeitsbelastung. Wenn Inhaber*innen, die mit Arbeitszeiten zwischen 7 und 22 Uhr „zeitlich extrem eingespannt“ seien, diese nicht selbst bewältigen wollen oder können, steigen so auch die Personalkosten. „Das ist ein Risiko“, räumt Brockmann ein.
Und das „vor dem Hintergrund, dass es den Trinkhallen nicht so gut geht“, so Brockmann. Tatsächlich äußerten einige Inhaber*innen, dass sie für ihren Kiosk über die nächsten fünf Jahre hinaus keine Perspektive erkennen könnten. Hier sieht Herbertz auch die Stadt in der Pflicht. Im Rahmen einer Umfrage ermittelten die Studierenden unter anderem, was die Menschen sich für die Trinkhallen wünschen. Deutlich wurde hierbei, dass es „vor allem um die Geselligkeit am Kiosk“ geht, um mit Brockmanns Worten zu sprechen. Wer gelegentlich an der „Bude“ einkauft, wünscht sich gegebenenfalls einen „Ort des Verweilens in unserer schnelllebigen Zeit“. Konkret könnte das bedeuten, Sitzmöbel vor den Trinkhallen aufzustellen. Doch das ist mit Gebühren an die Stadt verbunden, die sich die Inhaber*innen zu einem großen Teil nicht leisten können. „Aus raumplanerischer Sicht kann man das hier ganz gut sehen“, sagt Herbertz mit Blick auf den Baroper Marktplatz, der aktuell so gut wie ungenutzt ist.
Drei Untersuchungsbereiche
Aber auch aktuell geht der Kioskbesucher nicht ausschließlich zum Kiosk, um „einfach nur seine Packung Kippen dort zu besorgen“, berichtet Brockmann aus den Gesprächen mit den Inhaber*innen. Stattdessen verglich sich einer der Gesprächspartner mit einem Frisör, der mehr erbringt „als die reine Dienstleistung“ – und das von Hombruch bis in die Nordstadt. Insgesamt hatten die Studierenden für ihre Untersuchungen drei Bereiche ausgewählt. Während das Kreuzviertel und die Nordstadt als „verdichtete Innenstadtviertel“ laut Herbertz von vornherein gesetzt waren, wälzte der 24-Jährige den Dortmunder Statistikatlas, um einen Bereich zu finden, der sich bezüglich des Wohlstandes in der Mitte zwischen dem „sehr reichen“ Kreuzviertel und der Nordstadt mit vielen Bewohnenden im Transferleistungsbezug bewegte.
Diskussionsrunde am 10. Juli
Und in noch einem Punkt unterscheidet sich Hombruch von den anderen beiden Untersuchungsbereichen. So stellten die Studierenden im Rahmen ihrer Zählungen fest, dass die Menschen, die in Hombruch zum Kiosk gehen, eher 60 als 30 Jahre alt sind, während im Kreuzviertel tendenziell 18- bis 30-Jährige einkaufen – die jedoch weder hier noch dort allzu viel Geld in die Kassen spülen. „Wenn man reich werden will, gründet man keine Trinkhalle“, fasst Brockmann zusammen. Diese Erkenntnis ist nun für die Studierenden Anlass, zum Abschluss ihres Forschungszeitraumes zu einer Diskussionsrunde am 10. Juli um 17 Uhr am Adler-Kiosk einzuladen. Dort werden auch die Betreibenden selbst ihre Einschätzung zum „Trinkhallensterben“ beisteuern.
Aktuell sitzen die Studierenden am Endbericht ihrer Arbeit, der sowohl den Status quo abbilden als auch die Prognosen und Empfehlungen einer „Zukunftsgruppe“ beinhalten soll.
*Redakteurin von „Wir in Dortmund“, Anm. d. Red.