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Die Senioren von heute bleiben bekanntlich längst nicht mehr im heimischen Sessel sitzen, man sieht sie joggen, tanzen oder turnen. Dass sie wie in Huckarde allerdings einmal wöchentlich in der Steilwand hängen, ist dann doch nach wie vor ungewöhnlich.
Genau das aber passiert seit zweieinhalb Jahren immer mittwochsvormittags im „Bergwerk“ an der Emscherallee. Von 55 Jahren bis weit darüber reicht die Altersstruktur der Gipfelstürmer, die in der knapp 20 Meter hohen Kletterhalle auch schwierige Herausforderungen mit großer Selbstverständlichkeit annimmt. Wie ein „Schwarzenegger in Rente“ sieht dabei niemand von ihnen aus, und genau das ist beim Klettern auch überhaupt nicht notwendig, wie Gruppenleiter Herbert nachdrücklich betont: „Es gibt immer mal wieder Gäste aus der Mucki-Bude, die hier trotzdem nicht hoch kommen.“ Oder vielleicht mit reichlich Schweiß genau einmal, wie er ergänzt: Weil der wichtigste Kletter-Faktor eben eine gute Technik sei. Was insbesondere heißt, viel stärker aus den Füßen als aus den Armen zu arbeiten und sich, wenn möglich, zur Wand einzudrehen.
Kaum erläutert, macht der drahtige Übungsleiter gleich mal vor, was gemeint ist und nimmt mit großer Leichtigkeit eine der Routen in Angriff. Unter diesem Eindruck fragt man bei Herberts Lebensalter dann sicherheitshalber nochmal nach: Doch, dieser Gipfelstürmer ist tatsächlich 82 Jahre alt! Der Kreis seiner Schützlinge hat sich seit 2019 ständig erweitert, manche davon mit Vorerfahrung, andere bei ihrem Einstieg pure Neulinge. Dass das Hallenklettern für viel mehr Menschen in Frage kommt als man zunächst meinen könnte, wird von allen Seiten bestätigt. Denn nicht zuletzt ist der Schwierigkeitsgrad an der Wand individuell wählbar. Mit mehr als einem bisschen Muskelkater nach längerer Pause muss man daher auch nach Meinung des 66-jährigen Peter nicht rechnen.
Bei allem Spaß, den die inzwischen bis zu vierzehn Senioren auf ihren wöchentlichen Klettertouren merklich haben, bleibt Sorgfalt beim Sichern dennoch die unverzichtbare Zutat. Aus eben diesem Grunde nehmen Neueinsteiger auch zunächst einmal an einer ca. vierstündigen Schulung teil, in der die nötigen Knoten, Handgriffe und Abläufe vermittelt werden. Wieder hängt’s also buchstäblich an der Technik sowie daran, dass man sich – wie in einer Seilschaft im „echten“ Gebirge – gegenseitig vertraut. Genau dieser Aspekt kann jedoch neben einem gewissen Nervenkitzel den Reiz des Hobbys ausmachen. Kletterin Nicole etwa, mit 55 Jahren „Nesthäkchen“ der Gruppe, sieht das exakt so: „Die Verbundenheit mit anderen zu spüren ist für mich einer der wichtigsten Aspekte, warum ich hier mittwochs mit dabei bin“, erzählt sie mit Begeisterung. „Für mich fühlt es sich an, als ob ich nach genau diesem Sport mein Leben lang gesucht hätte.“
Verbundenheit innerhalb der Truppe ist es dann auch, die das wöchentlich jeweils letzte Kapitel bestimmt: Den geselligen Teil bzw., wie einige der Anwesenden lachend verkünden, „das, worauf’s hier wirklich ankommt“. Selbstverständlich fehlt also niemand, wenn zum Schluss Kaffee und Kuchen auf den Tisch kommen und die Kletterer in einer der Sitzecken zum Plaudern und Seele-baumeln-lassen zusammenkommen. Danach geht es frisch gestärkt auf den Heimweg. Bis es dann, am nächsten Mittwochvormittag, wieder in den Fingerspitzen kribbelt und die Huckarder Seniorentruppe ein weiteres Mal die „Gipfel“ erstürmt.