In Großbritannien oder den USA, wo privates soziales Engagement schulisch eine deutlich größere Rolle spielt als hierzulande, hätte Simon Klietmann für sein Abschlusszeugnis einen richtig dicken Trumpf gespielt. Schließlich war es die Idee des angehenden Abiturienten, die am Bert-Brecht-Gymnasium mitten im Lockdown ein gutes Stück des Corona-Blues vertrieb und der Schule das bescherte, was aktuell an vielen Orten auf dem Spiel steht: Ein Gefühl des Zusammenhalts.
Denn bekanntermaßen müssen der aktuelle Abi-Jahrgang sowie das Lehrerkollegium anno 2021 auch am BBG erneut auf so ziemlich alles verzichten, was die letzte Phase der Schulzeit so besonders und erinnerungswürdig macht: Den Chaostag etwa, eine Mottowoche oder wie auch immer geartete gemeinsame Feiern.
Auf der Suche nach einem möglichst adäquaten Ersatz wurde der 18-jährige im letzten Dezember auf Youtube fündig, wo von Lehrern und Schülern gemeinsam produzierte Musikvideos sein Interesse weckten. Das, dachte er sich, müsste doch auch in Dortmund-West hinzubekommen sein, und machte sich ans Werk.
Von einem Stufenkameraden ließ sich der begeisterte Sound-Tüftler den Schlagzeugpart des Songs „Come and get your love“ einspielen, um ihn anschließend an die BBG-Lehrerschaft zu versenden. Anbei eine Bitte: Wer immer sich dazu in der Lage sähe, möge sich selbst musikalisch einbringen und sein Scherflein zu einer gemeinsamen Song-Produktion beitragen. Wenn Simons Idee auch sehr positiv aufgenommen wurde, blieb der Ertrag doch – Pädagogen hin oder her – erst einmal überschaubar. Nach einer Weile aber begann das musikalische Pflänzchen doch zu sprießen, steuerten Lehrerinnen und Lehrer Bass, Klavier und Gitarre in Ton und Bild zum Projekt bei.
In seinem Heimstudio legte Simon unermüdlich Spur auf Spur und schnitt die Videosequenzen zu. Erfahrung hat er auf diesem Gebiet schon einige, weckte doch einer von Simons Lehrern bereits in der 7. Klasse das entsprechende Interesse des damals erst Zwölfjährigen und übertrug ihm die Verantwortung für Sound und Beleuchtung während einer Schulveranstaltung.
Simons ganz persönliches, praktisches Abi-Projekt allerdings dürfte bisher eine seiner zeitintensivsten Aufgaben gewesen sein: Nach dreieinhalb Monaten und – geschätzt – satten 100 bis 150 Arbeitsstunden waren die von 22 aktuellen PädagogInnen sowie einem ehemaligen Lehrer beigesteuerten Beiträge Anfang April zu einem stimmigen Ganzen verwoben.
Doch apropos Arbeitsaufwand – hatte der Kirchlinder nicht in genau diesen zurückliegenden 16 Wochen eigentlich noch eine ganz andere, wichtige Aufgabe zu leisten? Ja, gibt Simon Klietmann zu, seine Abi-Vorbereitungen könnte er hier und da etwas vernachlässigt haben, Sorgen um seinen Abschluss macht der 18-jährige, wie er betont, sich dennoch keine. Und käme es nicht mittlerweile ohnehin einem Skandälchen gleich, den BBG-Netzwerker durch eine Prüfung rasseln zu lassen? Zumindest im angelsächsischen Raum hätte er das Reifezeugnis womöglich schon „im Kasten“.
Zu finden ist die BBG-Gemeinschaftsproduktion online unter https://www.youtube.com/watch?v=J1AaoANcIhw