Er hat’s wieder getan. Oder zumindest beinahe: Vor rund zwei Jahren kehrte der Kirchlinder Refik Latifi mit einen ganz besonderen Weltmeistergürtel aus Rimini nach Dortmund zurück, hatte der 36-Jährige seinen Titel doch im Schachboxen errungen. Was wie eine Stefan-Raab-Idee klingt, dürfte zwar auch live ungefähr genauso wirken, erfreut sich allerdings zugleich einer wachsenden globalen Szene. Mal abgesehen davon, dass die Sportler für den Erfolg hart trainieren und sehr überzeugend performen müssen, fordern die beiden Teilbereiche der Disziplin von ihnen doch denkbar unterschiedliche Qualitäten.
2023 in Italien also ließ sich Refik Latifi von niemandem aufhalten, und setzte – keineswegs als Favorit im Ring und am Brett – den russischen Turnierfavoriten drei Sekunden vor Partieende matt.
Die bald danach sprießenden Träume von einem zweiten Titelcoup aber währten erstmal nicht lange, denn immer wieder wurde der Boxer in der Folge durch Probleme mit seiner lädierten rechten Schulter zurückgeworfen. Als das sprichwörtliche Handtuch schon fast geworfen war, bekam der Weltmeister im vergangenen Sommer die Gesundheit aber doch noch in den Griff.
Also ging’s zurück in den Trainingsmodus: Fünf Einheiten Schach pro Woche und die gleiche Menge Boxen. Wobei der Schwerpunkt diesmal auf dem Faustkampf lag, denn seinem Rimini-Überraschungscoup zum Trotz waren die russischen Titelanwärter nach Latifis Einschätzung am ehesten im Ring zu bezwingen.
Eine Prognose, die sich Ende September im serbischen Loznica zu bewahrheiten schien: Am Brett zwar in die Defensive gedrängt, sah sich der 36-jährige Kirchlinder trotzdem auf einem guten Weg: „Mein Gegner stand nur noch auf wackligen Beinen“, beschreibt er die Situation kaum zwei Minuten vor Ende der letzten Boxrunde. Einen Moment später aber landete die Faust seines Gegners auf der verletzungsanfälligen Schulter, und im selben Moment war’s vorbei: Ausgekugelt – eine Fortsetzung des Kampfs undenkbar. Wieder eingerenkt wurde die ganze Angelegenheit ein paar Stunden später Im Krankenhaus, und zwar tatsächlich unter Vollnarkose. Da konnte sich Latifi gedanklich bereits mit der Silbermedaille trösten, und haderte doch vor allem mit dem haarscharf verfehlten Ziel.
Zumal das Turnierende unwiderruflich auch das Karriereende des 36-Jährigen nach sich zieht. Nicht etwa nur das exotische Schachboxen betreffend, sondern für alle Faustkämpfe: Der Körper will es ja offenbar so. Was allerdings auch deswegen schade ist, weil die zurückliegende WM durchaus die steigende Popularität von Refik Latifis Sport unterstrich: „Russland war diesmal mit rund 60 Athleten vertreten, und die USA mit knapp 40“, blickt er zurück. Es scheint sich also etwas zu entwickeln in der Szene. Nach Dortmund jedoch wird in absehbarer Zeit wohl keine Schachbox-Medaille mehr gehen.

















