Ob seine Zuhörer die Gummibärchen-Bande kennt, fragt Rüdiger Wulf in die Runde: Was für eine Frage – schließlich handelt es sich bei den Vieren ja fast schon um Klassenkameraden!
Einmal wöchentlich kehrt der ehemalige Chef des örtlichen Schulmuseums derzeit zurück in seine frühere berufliche Heimat Marten. Dort ist allerdings nicht die langjährige Wirkungsstätte sein Ziel, sondern die Steinhammer-Grundschule. Seit Anfang 2024 geht der 71-Jährige an der Schulte-Heuthaus-Straße einem Hobby nach, dem er sich insbesondere nach seiner Pensionierung immer wieder gern gewidmet hat: Dem Vorlesen.
Hierzu findet sich jeweils montags im obersten Stockwerk der Schule ein Trüppchen Zweitklässler ein, um mit Spannung auf die neuesten Abenteuergeschichten zu lauern. Diese stammten bei Rüdiger Wulfs Gastspielen an der Schule erst einmal aus den Federn klassischer Kinderbuch-Autor:innen wie Astrid Lindgren oder Otfried Preußler. Irgendwann aber wurde es zusehends schwieriger, weitere Literatur zu finden, die sich in knapp 45 Minuten „Brutto-Vorlesezeit“ gut erzählen ließ. Die Idee, die Rüdiger Wulf zur Lösung des Problems in den Sinn kam, ist eine ganz besondere, hat der Ex-Museumschef den bisherigen Ruhestand doch nicht allein zum Vorlesen, sondern u. a. auch zum Schreiben genutzt und im Laufe der letzten zweieinhalb Jahre zwei eigene Kinderbücher mit Geschichten über den Dortmunder Zwerg Hoppetinken herausgebracht. Warum also, dachte sich der Hobbyautor, nicht einfach auch mal ein paar Martener Storys zu Papier bringen? Im optimalen Falle natürlich welche, bei denen Kinder der Steinhammer-Grundschule im Mittelpunkt stehen!
Von dort dauerte es gar nicht mehr allzu lange, bis die Gummibärchen-Bande aus Wulfscher Feder das Licht der Welt erblickte. Seither können die Kinder von der Schulte-Heuthaus-Straße den Abenteuern von Paul, Hanna, Kaan und Amira lauschen, die nicht selten so klingen, als hätten sie sich fast vor der Haus- bzw. der Schultür zugetragen. Mal ganz abgesehen davon, dass die vierköpfige Truppe sogar ausnahmslos in die „2a“ geht, „näher dran“ könnte man sich als Publikum also kaum fühlen. Alltäglich sind die Erlebnisse des Quartetts aber natürlich nicht, treiben in den Geschichten doch auch Zauberer und Feen ihr (Un-)wesen. „Klar achte ich immer auch darauf, dass richtig was passiert“, erläutert der Hobby-Autor. Um sich der Aufmerksamkeit seines jungen Publikums komplett sicher zu sein, greift er allerdings zudem noch zu einem kleinen Trick: „In jede Geschichte“, erläutert des „Lesepate“, „baue ich im Laufe der Dreiviertelstunde ein paar kleine Quizfragen ein, die sich auf das Gehörte beziehen. Wer die richtige Antwort weiß, darf sich etwas aus der Weingummi-Tüte angeln“: Eine Strategie, die offenbar blendend funktioniert, da die Zuhörer mit den Protagonisten der Storys nicht nur die Schule, sondern auch die Ernährungs-Vorlieben gemeinsam haben.
Insgesamt sieben abgeschlossene Kapitel sind bisher aus Rüdiger Wulfs Feder geflossen und eine Schreibblockade droht allem Anschein nach erst einmal nicht. Zudem ist die Martener Schulleitung bemüht, die acht freien Plätze des Vorleseprojekts wöchentlich wechselnd zu besetzen: So dauert es immer ein Weilchen, bis alle Zweitklässler:innen von den aktuellsten Gummibärchen-Abenteuern erfahren haben. Deren Ende ist also bis auf Weiteres nicht absehbar – und die Steinhammer-Kids müssen in Gedanken weder nach Hogwarts noch in den Wald des Räubers Hotzenplotz reisen, um einem Zauberer zu begegnen, gehen sie doch dank Rüdiger Wulf selbst inmitten solch einer „magischen Kulisse“ zur Schule“.