Im Zentrum kirchlicher Aufgaben stehen Seelsorge und soziale Belange, doch was wäre eine Gemeinde ohne Musik? Zumal Weniges den sozialen Zusammenhang und die Seele so stärken kann wie gemeinsames Singen und Musik-Machen.
Kirchenmusiker:innen und Kantor:innen kommt im Gemeindealltag also eine ganz zentrale Bedeutung zu. In Lütgendortmund und Umgebung liefen die Fäden aller Chöre, Bläserensembles und Spielkreise der Christus-Kirchengemeinde seit 2007 bei Hannelore Heinsen zusammen. Im März allerdings verabschiedet sich die gebürtige Eichlinghoferin von ihren „Schäfchen“ und in den Ruhestand – sofern diese Bezeichnung denn zutrifft.
So positiv sie allerdings ihre Gemeindezeit in Erinnerung hat, ist der baldigen Pensionärin beim Blick nach vorne nicht bange.
Am Anfang ihrer Karriere hatten auch der Zufall und eine ungewöhnliche Motivationshilfe ihre Finger im Spiel: Zum ersten Mal an einer Kirchenorgel landete die damalige Hobbymusikerin nämlich noch als Jugendliche, weil der eigentliche Organist kurzfristig ausfiel und die Verantwortlichen in Eichlinghofen von ihrem Interesse für Orgelmusik wussten. Beim einmaligen „Notfalleinsatz“ blieb es nicht, dennoch sprach Hannelore Heinsens damalige Musiklehrerin ihrem Schützling rundweg die Fähigkeiten ab, es an die „Hochschule für Musik und Theater“ in Hannover zu schaffen: Ein Urteil, das die Musik-Enthusiastin kurz darauf widerlegen sollte.
Nach dem Studium führte sie ihr beruflicher Weg für längere Zeit als Kantorin nach Hildesheim, bevor dann vor knapp zwei Jahrzehnten plötzlich die Heimat rief: Per Zeitungsannonce hielt man im Dortmunder Westen Ausschau nach einer Nachfolge für Organist Peter Kletzsch, der zufälligerweise einst Frau Heinsens Klavierlehrer gewesen war. Die bewarb sich, wie sie sagt, „halb aus Jux“: Ein Versuch konnte schließlich nicht schaden. Einige Monate später war ihr Platz der an den Kirchenorgeln in Lüdo und Bövinghausen, und Sanges-Ensembles von Kinder- über Gemeinde- bis hin zum Gospelchor vertrauten auf ihren Sachverstand. Und daran hat sich im Grunde seither nichts geändert. „Den Kinderchor allerdings mussten wir aufgrund der Einführung des Offenen Ganztags beenden“, blickt die 66-Jährige zurück. Einen echten Boom erfuhr den allgemeinen Trends zum Trotz das Seniorensingen: Das vor etwa 15 Jahren ins Leben gerufenen „Silberlinge“-Chorprojekt für Menschen ab 60 Jahren startete seinerzeit mit 17 Aktiven und ist mittlerweile auf etwa das Dreifache angewachsen.
Hannelore Heinsens eigenes musikalisches Herz schlägt, wie sie leichthin eingesteht, vor allem für die sog. „alte Musik“ bzw. Klänge des Barock. Zugleich weiß sie aber die enorme Vielfalt ihres Berufs zu schätzen und findet: „Wir sollten selbstverständlich immer versuchen, Kirchenmusik zu machen, die sich nach den Leuten richtet – und diese im besten Falle auch selbst aktiv mit einbezieht.“ Das im Laufe ihrer Tätigkeit etablierte „Kleine Konzert zur Marktzeit“, in dessen Rahmen sich Ensembles und Solomusiker an Samstagen in der Bartholomäuskirche einem Publikum präsentieren können, liegt ihr daher besonders am Herzen. Als unvergesslichstes Event ihrer „Amtszeit“ kommt der baldigen Ruheständlerin hingegen der Kirchentag von 2019 mit der ökumenischen Veranstaltung auf der Zeche Zollern in den Sinn: „Das hat damals auch stark in das Gemeindeleben hineingewirkt“, erinnert sie sich.
Ihrer Zukunft ohne berufliche Verpflichtungen sieht die 66-Jährige gelassen entgegen. „Zwar ist der Plan“, verrät sie, „mich zunächst einmal für ein halbes Jahr völlig auszuklinken.“ Von einem echten „Schnitt“ könne in einem Job wie dem ihren allerdings trotzdem nicht die Rede sein: Weil es bestimmt Angebote geben werde, das eine oder andere Ensemble als Leiterin unter die Fittiche zu nehmen – und weil Musik als Hobby ohnehin zahllose Möglichkeiten und Herausforderungen biete. „Damals bin ich sozusagen schleichend in den Beruf reingerutscht, und jetzt geht es halt in die andere Richtung“, resümiert sie. Die Gemeinde allerdings widmet ihrer Noch-Kantorin selbstverständlich trotzdem einen Abschiedsgottesdienst: Der startet am 9. März um 10 Uhr in der Bartholomäuskirche, wenn Hannelore Heinsen das letzte Mal in die Tasten „ihrer“ Orgel greifen wird.