„Unsere guten Böden verdanken wir der letzten Eiszeit“, erklärt Geograph und Emscher-Guide Rainer Oligmüller, und die Teilnehmenden lauschen gespannt. „Nach der Gletscherschmelze wehte der Westwind den freiliegenden Löss bis zum Vestischen Höhenrücken und zum Hellweg. Und von dort spülte ihn das Wasser dann hier herunter, in die Emscher-Aue.“ Damit ist der Boden bereitet für die folgenden 2 Stunden, Auftakt des Ackerlabors. Die acht Hobby-Gärtnerinnen und Naturinteressierten erfahren unter anderem, wie Auenboden für hohen Nährstoffgehalt und reiche Ernte sorgt, oder wie man die Bodengüte schon mit der Fingerprobe näherungsweise bestimmen kann. Der Ort des ersten Ackerlabors ist bewusst gewählt: Der Hof Emscher-Aue, auf der Grenze zwischen Dortmund-Mengede und Castrop-Rauxel Ickern. Inmitten des Regenrückhaltebeckens, das derzeit erweitert wird, bietet der Hof neben einem Ausflugs-Café auch mehreren Initiativen eine Heimat. Seit Juni 2023 findet sich hier der erste Allmende-Acker der Allmende Emscher-Lippe Genossenschaft.
„Einfach gesagt, wollen wir mit der Allmende Boden gut machen“, sagt Nikolai Wystrychowski mit einem Augenzwinkern. Der gebürtige Duisburger und Psychologe ist Gründungsmitglied der Genossenschaft und hat das Projekt Allmende-Acker ins Leben gerufen. „Gesunde Böden sind die Grundlage des Lebens. Leider wird das oft erst spürbar, wenn es dem Boden schlecht geht und er seine wichtigen Funktionen nicht mehr alle erfüllt.“ Die frisch gegründete Genossenschaft möchte hierfür Bewusstsein schaffen und auch direkt Lösungswege anbieten. Und manche davon können richtig schmackhaft sein, wie die Erzeugnisse des Allmende-Ackers zeigen. „Mit den ‚drei Schwestern‘ – Mais, Bohnen- und Kürbispflanzen – setzen wir auf einigen Beeten gezielt Mischkulturen ein“, weiß David Coerdt, Experte für Kreislauf-Wirtschaft. „Aber welche Pflanzenmischung funktioniert wie gut? Und was macht sie mit dem Boden? Das findet man am besten heraus, wenn man einfach mal macht!“ Nach dieser Devise leitet Coerdt seit 2018 bereits das Reallabor Pandora 2.0 in Dortmund-Fredenbaum und brachte sich beispielsweise das Gemüsegärtnern selbst bei, um Brachflächen zu beleben. Rainer Oligmüller und die Mitforscher des Ackerlabors sind ebenfalls gespannt und nehmen erste Proben: pH-Wert, Bodentemperatur, Bodenfeuchte. So werden beim Feldexperiment von Beginn an Daten erhoben und Wissen über regenerative Bodennutzung geschaffen, das weitergegeben werden kann. „Die klassische Allmende ist eine gemeinschaftlich genutzte Fläche, zum Beispiel eine Weide. Damit das funktioniert, braucht es viel Abstimmung“, so Oligmüller. „Aber es gibt auch die Wissens-Allmende. Und das Schöne ist: Wenn man Wissen miteinander teilt, wird es nicht weniger, sondern mehr.“
Entsprechend hat sich die Allmende Emscher-Lippe eG zum Ziel gesetzt, den Menschen im Emscher- und Lippe-Gebiet Wissen zugänglich zu machen, mit dem sie selbst zu gesünderen Böden beitragen können, auch direkt bei sich vor Ort. „Wir entwickeln das Ackerlabor mit unseren Mitgliedern immer weiter“, sagt Nikolai Wystrychowski „Und die Wunschliste ist schon jetzt lang: Saatgutproduktion, Kompostierung und Fermentation von Pflanzenresten und Küchenabfällen, Analyse von Bodenorganismen und Bodenchemie. Alles das hilft, Stoffkreisläufe zu verstehen und wiederherzustellen. Denn nur wenn diese funktionieren, können auch die Böden funktionieren – für die Natur und für die Menschen.“ Am 9. September findet der nächste Schnuppertermin des Ackerlabors statt, 2024 startet dann das volle Angebot. Die Seminare stehen allen Interessierten offen (Anmeldung erforderlich). Genossenschaftsmitglieder erhalten einen Rabatt von 30 % auf die Teilnahmegebühr, in der Schnupperphase nehmen sie kostenlos teil.
Alle Termine und Informationen finden sich auf: www.allmende-emscherlippe.de