Die Menschen hierzulande – so heißt es ja mitunter – hätten sich in den letzten drei Jahren ihre Geselligkeit ein wenig abgewöhnt. Sollte das stimmen, haben sie allerdings beim Brettspieltreff in der Martin-Kirche den „Trainingsrückstand“ im Nullkommanichts wieder aufgeholt.
Denn wenn es freitags ab 19 Uhr Uhr im Gemeindehaus in der Sternstraße an irgendetwas mangeln sollte, dann allerhöchstens mal an frischer Luft: Mindestens siebzig Spiel-Enthusiasten nämlich pilgern allwöchentlich zum Event der Brettspielunion, die doch gerade einmal auf eine fünfjährige Geschichte zurückblicken kann. Statt Tradition allerdings findet sich hier jede Menge Tatendrang – teilweise so viel, dass man sicherheitshalber besser mehrmals nachfragt. So kann man dann beispielsweise erfahren, dass die Zeiten des „reinen Spieletreffs“ für die Orga-Truppe der Brettspielunion mittlerweile lange vorbei sind. Anno 2020, also mitten in der Pandemie, entschloss man sich stattdessen zur Gründung eines eigenen eingetragenen Vereins, der sich gleich vier weitere ehrgeizige Ziele auf die Fahnen geschrieben hat. Als da wären:
- Die regelmäßige Durchführung eigener Autorenwettbewerbe in dem Bestreben, neue Spiele auf dem Markt zu etablieren
- Der Aufbau eines Spielearchivs, das zudem sowohl Ausleihe als auch als Infopoint sein soll
- Das Anlernen von Medienfachkräften (!), die dann über digitale Kanäle adäquat über Neuerungen und alles andere Wissenswerte berichten sollen
- Das Vernetzen mit Institutionen – etwa Schulen, Kitas, Seniorenheimen – mit dem Ziel, dort regelmäßig Spielaktionen durchzuführen.
Dass man bei derart ehrgeizigen Vorsätzen mit Leib und Seele bei der Sache sein muss, stellt Sebastian Schwarz keineswegs in Abrede. „Durchschnittlich zwei bis drei Stunden täglich“ steckt das Vorstandsmitglied nach eigener Einschätzung täglich in sein Herzensprojekt. An dessen Erfolg wiederum zweifelt er nicht, denn offenbar verfügt die BrettspielUnion gleich über ein ganzes Team unermüdlicher Enthusiasten.
Einige Pläne hat man auch bereits erfolgreich auf die Schiene gesetzt: Bei der monatlichen „Meeple Night“ im Dortmunder U – „Meeple“ ist der englische Begriff für Spielfiguren – wird jeweils von 16 bis 22 Uhr ein ausgewähltes Brettspiel gezockt und die „Faszination Brettspiel“ auf diese Weise weiter in die Bevölkerung getragen. Auch an anderen Orten, sogar „im Knast“, ist man bereits mit etlichen Spielen im Gepäck für einen Abend vor Anker gegangen.
Bei so viel Umtriebigkeit verwundert es nicht, wie gut die Spiele-Truppe allen Widrigkeiten zum Trotz durch die Corona-Zeit kam. In der schwierigsten Phase war man mit Digital-Angeboten am Start, später wurde für die 30 erlaubten Plätze ein Online-Anmeldeverfahren etabliert. „Bei dem wir in der Regel nach etwa 50 Sekunden ausgebucht waren“, wie Sebastian Schwarz immer noch ein wenig ungläubig zurückblickt. Inzwischen dürfen die Türen freitagsabends in der Sternstraße längst wieder durchgehend und für jede(n) offenbleiben. „Abgewiesen wird bei uns niemand“, unterstreicht der Zweite Vereinsvorsitzende in diesem Zusammenhang, und führt weiter aus: „Der Regenbogen in unserem Logo ist durchaus als Statement zu verstehen, denn wir verstehen uns als generations-, herkunfts- und identitätsübergreifend. Insofern beschreibt auch der Begriff ‚Union‘ exakt, wofür wir stehen.“
Anfang Februar feierte der Spieletreff, der von Familien- und Party- bis hin zu Kenner-Spielen alles – und zwar alles in zahllosen Varianten – auf Lager hat, sein fünfjähriges Bestehen, und zur Feier des Tages fluteten Besucher:innen die Räumlichkeiten, spielten im großen Saal ebenso wie im Flur oder in der Küche. Mit Kaffee und Keksen bewirtet wurden sie der großen Anzahl zum Trotz alle – „einen Großteil der hier anfallenden Kosten können wir über Spenden abdecken“, wie Sebastian Schwarz verrät –, darüber hinaus spendierte das Orga-Team seinen Gästen eine Spiele-Verlosung, bei der ein ganzer Berg von Klassikern, Neuheiten und Geheimtipps den Besitzer wechselte. Möglich gemacht hatten dies die Unterstützung seitens der örtlichen Bezirksvertretung sowie der Landesfördertopf „Engagement NRW“.
Auf den eindrucksvollsten Beweis für einen gelungenen Abend wies zu später Stunde eine der Besucherinen hin und fragte: „Haben Sie irgendjemanden gesehen, der hier in den letzten Stunden sein Smartphone gezückt hat?“
Etwas ins Stottern geraten ist der BrettspielUnion-Motor aktuell einzig in dem Bemühen um die Anerkennung als gemeinnütziger Verein: Hier mahlen die amtlichen Mühlen eben ein wenig gemächlicher. Aber sofern ehrenamtliches gesellschaftliches Engagement das entscheidende Kriterium ist, dürfte am Spieleverein aus Dortmund-West früher oder später eigentlich kein Weg vorbeiführen.
Derzeit starten die Spieleabende der Brettspielunion jeweils freitags ab 19 Uhr im Gemeindehaus an der Sternstr. 21. Ab dem Frühling wird möglicherweise wieder zur „alten Regelung“, also einem wöchentlichen Wechsel zwischen Sternstraße und dem Gemeindehaus an der Kreuzstr. 66a zurückgekehrt. Detailliertere Informationen können online unter http://www.brettspielunion-dortmund.de abgerufen werden.