Für Auszubildende bieten die Dortmunder Stadtwerke AG (DSW21), DEW21/DONETZ und die EDG schon im dritten Jahr das Bildungsprogramm »Von Dortmund nach Auschwitz« an. Ende Februar reiste nun erstmals eine Gruppe von 20 Führungskräften und Betriebsrät*innen von DSW21 nach Oświęcim – so heißt die polnische Kleinstadt, die die Nazis Auschwitz nannten, zur nationalsozialistischen Musterstadt ausbauen wollten und zum Ort des Grauens und millionenfachen Mordes insbesondere an Jüdinnen und Juden machten. Auschwitz ist für alle Zeiten d a s Symbol für den Holocaust.
Reise hinterlässt Spuren
Es war eine Bildungsreise der anderen Art, auf die sich die Teilnehmenden mit großem Respekt und gemischten Gefühlen eingelassen hatten. Es wurde eine Reise, die tiefe Spuren hinterlässt. Die lange nachwirken wird – da waren sich alle einig. Die bei allen das Bedürfnis weckte, sich mit diesem Teil der deutschen Geschichte nach der Rückkehr weiter und noch einmal intensiver zu beschäftigen. Und eine Reise, an deren Ende die Erkenntnis stand, dass das, was nach der Machtergreifung der Nazis Anfang 1933 passiert ist, grundsätzlich wieder passieren kann – aber unter keinen Umständen wieder passieren darf. Dass es also unser aller Verantwortung ist, eine Wiederholung zu verhindern. Auch dadurch, dass wir die Erinnerung an den Holocaust und seine Opfer aufrechterhalten.
Bildungsprogramm etabliert
Unter der inhaltlichen Leitung der What Matters gGmbH (www.whatmatters.de) haben die kommunalen Unternehmen das Bildungsprogramm seit 2022 etabliert. Auch Azubis von DOGEWO21 und dem Klinikum Dortmund beteiligen sich inzwischen. Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache ist ebenso eingebunden wie ADIRA (Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus) und das Deutsche Fußballmuseum mit seiner Erinnerungsarbeit.
DSW21 hat das Angebot mit Beginn des Jahres 2024 ausgeweitet. Aktuell läuft das Programm mit mehreren Modulen, zu denen auch eine »Spurensuche« in Dortmund mit Besichtigung der Steinwache und ein abschließender Besuch in der jüdischen Gemeinde gehören, parallel für Azubis sowie für Führungskräfte und Betriebsrät*innen. Im nächsten Schritt werden alle Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, teilzunehmen.
Mitarbeitende sensibilisieren
Es gehe dem Unternehmen, erläutert Arbeitsdirektor Harald Kraus, „darum, wichtige gesellschaftliche Themen zu vermitteln: Wertschätzung für das, was Demokratie ausmacht. Dass Freiheit und Meinungsfreiheit eben keine Selbstverständlichkeiten darstellen. Dass Offenheit und Toleranz die Grundvoraussetzungen für ein friedliches Miteinander sind. Dass Vielfalt bereichert. Und es geht darum, die Mitarbeitenden für Strömungen, Haltungen und Tendenzen zu sensibilisieren, die diesen gemeinsamen Wertekanon gefährden: Rassismus, Antisemitismus, Respektlosigkeit, Hass“.
Dunkelstes Kapitel deutscher Geschichte
Vier Tage lang haben sich die Teilnehmenden vor Ort mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte auseinandergesetzt. Sie haben das Stammlager in Auschwitz und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht und sich auch mit dem Lager Auschwitz-Monowitz, dem Konzentrations- und Arbeitslager der IG Farben, beschäftigt. In Workshops haben sie die Entwicklung der NS-Diktatur von 1933 bis zur Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 historisch nachvollzogen. Fassungs- und sprachlos haben sie vor der Todeswand im Stammlager und vor den Ruinen das Gaskammern und Krematorien in Birkenau gestanden. Orte, an denen die Opfer vor ihrer Ermordung Demütigung, Erniedrigung und Qual in unvorstellbarem Ausmaß erleiden mussten und die deutschen Täter alles hinter sich ließen, was das Menschsein an sich ausmacht.
„Selbstverständlich haben uns in den Diskussionen auch die unbeantwortbaren Fragen umgetrieben“, sagt Harald Kraus: „Was wusste die Bevölkerung? Welche Wahl hatten die Täter? Und wie hätte ich mich selbst zu jener Zeit verhalten? Zumindest die letzte Frage spielt stark in die politische Aktualität hinein. Angesichts des massiven Rechtsrucks in unserer Gesellschaft und zunehmender antisemitischer Tendenzen stellt sie sich ganz neu: Wie verhalten wir uns j e t z t?“ Erfreulich viele Menschen, so Kraus, seien in den vergangenen Wochen gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung auf die Straße gegangen. „Das ist gut – und es ist erforderlich, denn wir alle sind aufgerufen, unsere Demokratiefestigkeit und unsere Resilienz gegen jene Kräfte unter Beweis zu stellen, die unsere demokratische Grundordnung aushöhlen wollen. Auch dazu dienen unsere Bildungsprogramme. Denn bei aller Kritik, die es bisweilen zurecht an der Politik gibt“, so Kraus weiter: „Die Demokratie, die wir heute haben, ist die beste Demokratie, die wir in Deutschland je hatten!“
An der alten Rampe in Birkenau, dort, wo die Deportationszüge ankamen, als die Gleise noch nicht bis ins Lager führten, legten die Mitarbeitenden von DSW21 im Gedenken an die Opfer rote Rosen nieder. Einer der bewegendsten Momente der Reise. Es gab niemanden, der dabei nicht mindestens schwer schlucken musste.