Auf Westrich trifft diese Bemerkung zu, die auch über Liechtenstein kursiert: Wer nicht rechtzeitig bremst, ist auch schon wieder durch. Birgit Mallon sieht das im Übrigen ähnlich. „Umso wichtiger ist es, dass wir hier eine Tempo-30-Zone haben“, lacht sie. Sportlich allerdings läuft’s der fehlenden Größe zum Trotz bemerkenswert gut für den Dortmunder Ortsteil. Nachdem sich der SV Westrich bei der diesjährigen Hallenfußball-Stadtmeisterschaft zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre unter den letzten Acht platzieren konnte und in der Kreisliga A aktuell der gesamten Konkurrenz enteilt, kann jedenfalls niemand mehr an reinen Zufall glauben. Auch im Kreispokal gehört der SV in diesem Jahr zu Dortmunds „Top 8“, irgendetwas scheint an der Hangeneystraße in den letzten Jahren also ausgesprochen gut zu passen. Zwar wäre das kleine Westricher Fußballwunder in Dortmunds Westen im Laufe der vergangenen Jahre nicht das erste. Außergewöhnlich erscheint allerdings, dass hier alles mit Bordmitteln und ohne finanzstarke Mäzene über die Bühne geht.
Was genau also macht denn nun den „Westrich-Faktor“ aus? Letztendlich, ist sich Birgit Mallon sicher, besteht der Weg Richtung Glück darin, ein familiäres Umfeld zu schaffen und für die Mitglieder so präsent wie möglich zu sein. Also auch ein offenes Ohr zu haben, wenn einer der Bambini bittet „Kannst du nicht mal mit Mama oder Papa sprechen, dass sie öfters zum Platz kommen?“
Seit über acht Jahren steht die 61-Jährige mittlerweile bei den Grün-Roten auf der Kommandobrücke, seinerzeit holperte der Club sich mehr schlecht als recht durch die Kreisliga B. Seither aber, weiß die „Chefin“ zu berichten, hätten die Mitglieder gemeinsam nachhaltig am Wohlfühlfaktor gearbeitet. Einmal ins Nachdenken gekommen, fallen Birgit Mallon die Beispiele für den besonderen Spirit an der Hangeneystraße quasi im 10-Sekunden-Takt ein: Da wären nicht nur die gemeinsam mit viel Sorgfalt organisierten Vereinsfeste wie Halloween, die große Ostereiersuche oder – selbstverständlich – die jährliche Weihnachtsfeier. „Bei der wird nicht nur zusammen gefeiert, sondern auch regelmäßig gesungen“, erzählt die Erste Vorsitzende. „‘O Tannenbaum‘ und die ‚Weihnachtsbäckerei‘ sind im Grunde Pflicht – und alle Teams schmettern mit!“
Da wäre zum anderen die Solidarität in Notsituationen: Als Sturm „Zeynep“ 2022 das Dach des Kabinentrakts quer über den Platz gefegt hatte, dauerte es nur wenige Stunden, und gut 40 Unterstützer:innen unterschiedlichsten Alters packten mit an, beseitigten das Chaos oder organisierten auf dem heimischen Herd die Verpflegung.
Und selbst als die Pandemie die Welt im Griff hatte, gingen Birgit Mallon ihre Mitglieder nicht von der Fahne – ganz im Gegenteil: „Plötzlich kamen einige Teams zu mir ins Büro und boten wegen der schwierigen Lage an, ihre kompletten Mannschaftskassen zu spenden“, blickt sie merklich gerührt vier Jahre zurück. „Von so etwas hatte ich noch nirgendwo sonst gehört“.
Dieser Westricher Teamgeist hat, ist sich auch Tom Wisnewski sicher, inzwischen ganz handfeste Auswirkungen auf die Schlagkraft des Teams. Der 30-Jährige, der sich hauptverantwortlich um Westrichs „Zweite“ kümmert und zudem beim letzten Hallen-Coup in der Helmut-Körnig-Halle den Viertelfinalisten coachte, bekräftigt: „Kontinuität ist die große Stärke im Verein. Viele Spieler halten uns schon seit etlichen Jahren die Treue, spektakuläre Umwälzungen hatten wir nie nötig.“ Und auch zu den wenigen „Ehemaligen“ reiße der gute Kontakt nie ab.
Bei aller Freude über das gemeinsam Geschaffene: Ist das traditionelle Jobverständnis, als Vereinschefin auch eine echte „Kümmerin“ zu sein, nicht auch extrem fordernd? Birgit Mallon antwortet mit einem klassischen „Kommt-drauf-an“: Zum einen hänge längst nicht nur sie selbst sich für den Verein rein, das Ehrenamtlichen-Team des Clubs – der immerhin eine Anlage mit zwei Plätzen und über 20.000 m2 pflegt und bewirtschaftet – leiste durchgehend tolle Arbeit. Zum anderen sei sie selbst zwar mindestens 35 Stunden pro Woche für den SV im Einsatz, und ab und an müsse man durchaus mal eine kleine Pause einlegen und ein bisschen Abstand gewinnen. „Aber nach ein paar Tagen“, gesteht sie, „ist es damit dann auch wieder gut. Dann kommt man zurück und ist einfach immer froh, dass man alle wiedersieht“. Denn schließlich, fasst Westrichs Erste Vorsitzende ganz am Ende unseres Gesprächs zusammen, „gibt es einfach nichts schöneres als ein Vereinsleben.“ Überlegt kurz, und fügt dann noch an: „Eigentlich auch ein schönes Schlusswort, oder?“