Daniel Schlep wohnt auf der „Kante zwischen Höchsten und Holzen“. Ursprünglich als Musiker und Musiklehrer aktiv, hat er sich nun für eine neue Berufsbezeichnung entschieden. Seit März ist er offiziell Musik- und Medienpädagoge. Was dahintersteckt, hat er uns im Interview erläutert.
Hallo Herr Schlep, wie kam es zu Ihrer Entscheidung, als Medienpädagoge tätig zu werden?
Als ich in der Vergangenheit bei weltbekannten Firmen ins Marketing, aber auch in die Produktentwicklungen involviert war, habe ich so viel Mist gesehen. Fakt ist, wir haben überhaupt keinen Plan von unseren Medien und wir haben Null Kontrolle über unsere Medien. Da ist mir klargeworden, dass wir in Schulen reinmüssen und Aufklärung schaffen müssen.
Was tun Sie in Ihrem Unterricht?
Zum einen gebe ich Musikunterricht. Inzwischen erhalte ich aber immer mehr Anfragen für meinen Medienunterricht. Wie kann ich mit alten oder auch neuen Geräten sinnvoll umgehen? Was ist eine Dateiverwaltung? Wie benenne ich eine Datei? Wie erstelle ich Ordner? Wie bediene ich das Ganze in einem Betriebssystem? Fakt ist, dass das gerade durch die Nutzung von Smartphones und Tablets vielen Leuten aberzogen oder gar nicht erst anerzogen wird. Und das ist total gefährlich, weil wir uns unter einer Konsum-Glocke befinden und inzwischen gewohnt sind: Die App sucht meine Fotos, die App sucht meine Musik, ich weiß überhaupt nicht, wo meine Musikdateien liegen. Wir verlieren immer mehr die Kontrolle über unser digitales Ich. Wenn Sie eine Sicherungskopie von Ihrem Foto machen wollen, dann müssen Sie erst einmal wissen: Wo ist das Foto? Es gibt viele Menschen, die meinen, ihre Geräte wären zu alt, zu schlecht, zu schwach. Und bei ganz vielen Geräten liegt es schlicht und einfach nur daran, dass die Leute ihren digitalen Haushalt nicht führen und nicht führen können, weil sie es nie gelernt haben. Sie haben nie mal Sachen gelöscht. Und dann heißt es, die Geräte sind kaputt und dann kommt Daniel Schlep mit seinen Aktivitäten mit alte Geräte nutzen und Nachhaltigkeit und Co. und alle denken, ich wäre ein Zauberer.
Was bedeutet das für die Schulen?
Das Wissen muss zuerst kommen und dann kann entschieden werden, welches Material wir brauchen. Wir machen es aber andersherum. Wir kippen Schulen voll mit iPads und Digitaltafeln und fühlen uns digitalisiert. Und das ist genau falschherum. Ein iPad bekommt im Schnitt nur um die fünf Jahre Aktualisierungen. Danach ist das Gerät immernoch funktionsfähig, aber seitens des Herstellers wird es auf tot geschaltet. An der Stelle erkläre ich, wie man Geräte bis zu 20 Jahre nutzen kann und Aktualisierungen dafür bekommt und sicher im Internet unterwegs ist. Das ist nicht nur ein Nachhaltigkeitsthema, sondern es geht auch um Geld. Wer hat Lust, gezwungenermaßen, obwohl ein Gerät noch funktioniert, ein neues zu kaufen?
Wenn wir für die Schulen aber unterschiedliche Geräte verwenden, schaffen wir einzelne Insellösungen. Wie bekommen wir trotzdem ein Netzwerk hin, was gegeben sein muss, damit die Schülerinnen und Schüler die gleichen Voraussetzungen haben?
Genau dieses Netzwerk ist die Freie Software. Wenn wir auf dem iPad anfangen, spezialisierte Software zu nutzen, dann braucht jeder Schüler in Zukunft dauerhaft ein Apple-Gerät. Die Firmen versuchen, uns immer krasser in ihre Ökosysteme zu binden. Die freie Software ist ein Gemeingut. Firefox ist so ein Beispiel. Es ist keiner daran gehindert, sich Firefox zu nehmen, umzuprogrammieren und ein eigenes Produkt daraus zu machen. Es läuft auf Geräten, die ganz neu sind, es läuft aber auch auf Geräten, die teilweise 15 oder 20 Jahre alt sind.
Haben Sie ein Projekt-Beispiel aus dem Stadtbezirk Hörde für uns?
Ich habe zum Beispiel in der Höchstener Grundschule Kurse gegeben. Wir haben uns einen Standrechner genommen, wo ich vorab das Linux aufgespielt habe. Dann habe ich mir mit den Kindern eine Textverarbeitung aus der freien Software angeguckt, das Zweite ist Grafik. Das Dritte ist Video. Vierter Bereich: Da haben die Kinder gesehen, wie man Musik selbst erschafft. Und das Fünfte ist die Spieleentwicklung. Da wird natürlich auch gedaddelt, weil ein Spieleentwickler ein Spiel auch spielen muss. Fakt ist aber: Es geht in erster Linie darum, Kindern beizubringen: Was ist ein Computerspiel? Das sind alles nur bewegte Pixel, die kann man selbst kontrollieren, selbst bearbeiten.
Zurück zu unserer Frage, was wäre denn eine sinnvolle Software. Direkt nach unserem Unterricht konnte ich die Kinder nach Hause schicken und sagen: Auf euern Apple-Geräten, auf euern Windows-Geräten, auf euern Linux-Geräten oder teilweise sogar auf euren Android-Geräten könnt ihr diese Software zu Hause direkt weiterverwenden, ohne Account, ohne Datenabgriff, ohne Werbeeinblendungen, ohne irgendwelche Ketten, ihr könnt euch das Gemeingut runterladen und sofort benutzen. Ihr könnt sofort zu Hause weitererleben und weiter medienkompetent lernen.
Vielen Dank für die Einblicke, Herr Schlep!