Ein wenig spürt man sie schon, wenn man von der Alfred-Trappen-Straße in die kleine Seitengasse abbiegt: Die „Sprungenergie“. Wer dann durch das Treppenhaus die Stufen hochsteigt und an dem knallbunt gestalteten Stuhl vorbeikommt, hört sie schon fast ein wenig hüpfen. Und wenn sich dann die Tür öffnet zu diesem riesigen Raum mit ganzen 16 Fenstern, sieht man sie förmlich von einem Arbeitsplatz zum anderen springen, in Blicken, Worten, Farben. „Kunstflirt“ ist das, was hier stattfindet, ein schlüssiger Name für dieses Atelier.
Jürgen Berressem: „Schwamm drüber“
„Einfach diesen Ort zu haben, das ist für mich purer Luxus“, sagt Beate Bach. Und diesen „Glücksort“ teilt sie mit anderen Kunstschaffenden, die sich bei ihr einmieten. „Wann immer wir eine Intuition haben“, arbeiten die Künstler*innen hier, wie Jürgen Berressem erzählt. Seine „Technik ist: Wasser, Schwamm und Acryl, wenig Pinsel“ und „wenn’s nicht gut ist: Schwamm drüber“. Der Schwamm ist dabei eine Konstante in seiner Kunst, hat der doch bereits zehn Jahre auf dem weichen Buckel.
Reinhold Knapp: „Die Komplexität einer urbanen Situation“
Ein paar Schritte weiter in den Raum hinein sitzt Reinhold Knapp an der Zeichnung eines Gebäudes. „Häuser sind mein Thema“, sagt er, „Architektur und die Häuser und die Menschen, die da leben“. Zunächst mit Bleistift auf Papier bringt er „die Komplexität einer urbanen Situation“ dann farbig auf die Leinwand.
Beate Bach: „Flirte mal mit der Kunst“
Hält Knapp sich dabei eher an die gedeckten Töne der Stadt, klotzt „Kunstflirt“-Inhaberin Bach so richtig – mit pastell bis neon. Bereits im Jahr 1993 – noch als Studentin – erhielt sie einen Preis für die Wandgestaltung in den städtischen Kliniken. Nach ihrem Kunststudium in Oldenburg dachte sie sich: „Flirte mal mit der Kunst, sodass das ein bisschen leichter wird“, und begann, Collagen zu erstellen. „Wenn du Collagen machst, kannst du spielen“. Mit den Jahren suchte sie immer neue Zugänge und Stile und fand schließlich auch das Selbstportrait als Motiv. „Um das zu trainieren und zu gucken: Wie geht es mir?“, brachte sie auf unterschiedliche Weise ihr Gesicht auf die Leinwand. Und dann kam Corona. „Ich musste dann irgendwie so Geschichten erzählen, um das zu verarbeiten. Das hat einen bedrückt, da passierte was mit einem. Man war nicht mehr frei.“ Inzwischen aber „flirte ich wieder mit meinen Bildern“ und „jetzt werde ich wieder ganz viel Neues suchen“.
Beate Wolf: „Die ist expressiv“
Während Bach die Kunst offiziell gelernt hat, ist Beate Wolf, die ebenfalls einen Arbeitsplatz im Atelier „Kunstflirt“ hat, „Autodidakt“. Doch eines hat Wolf mit ihrer „Vermieterin“ gemeinsam: „Die ist expressiv“, sagt Bach und deutet auf einen Astronauten, der über die riesige Leinwand an Wolfs Arbeitsplatz schwebt.
Christiane Tankus: „Eine Teilhabe an Energie“
Auf eine vollkommen andere Art gegenständlich zeigen sich Christiane Tankus’ Drucke. Von der „Sprungenergie“ – übrigens Tankus’ Erfindung – ihrer Kolleg*innen inspiriert schnitzt sie vor allem Raps. So simpel das klingt, so komplex ist die Aufgabe, „aus dem Gewusel was zu abstrahieren“. Auf der Suche nach den „führenden Strukturen“ erinnert sie sich mit ihrer Kunst an ihre „norddeutsche Heimat“. Auf diese Weise profitiert sie von dem, was Berressem einen „tollen Dialog zwischen den einzelnen Leuten“ nennt. „Das ist auch eine Teilhabe an Energie“, sagt sie.