„In einer Ecke stemmte sich Katja ein Gewehr in die Hüfte und fuhr sich durch das glatte, hellbraune Haar, damit es sich über den Lauf legte. Neue Bilder für die sozialen Netzwerke.“
Diese beiden Sätze fassen die Motive aus Janica Beckers Roman „Wir sind die Verlierer. Der Krieg in Europa“ zu einem eindrücklichen Bild zusammen. Es sind die Jugendlichen, die unfreiwillig Teil des Konflikts in der Ukraine geworden sind, für die sich die 17-jährige Autorin interessiert, die mit ihren Eltern in Loh lebt.
Seit sie ihren Abschluss an der Marie-Reinders-Realschule hat, besucht sie die Oberstufe des Mallinckrodt-Gymnasiums. In ihrer Freizeit aber befasst sie sich mit dem Krieg. In diesem Jahr nun ist ihr Debütroman erschienen.
Frau Becker, wie kommen Sie zu dem Thema des Ukraine-Konflikts?
Wir haben in der achten Klasse in Politik über Kriege gesprochen. Da habe ich gefragt, ob es auch in Europa Kriege gibt, und da meinte unsere Lehrerin: „Gibt es auf jeden Fall nicht“. Das war ein Zeitpunkt, zu dem es den Krieg in der Ukraine schon gab, zu dem ich mich aber auch noch nicht so dafür interessiert habe, dass ich sicher wusste, dass die Ukraine in Europa ist. Dann habe ich später zu Hause nachgeguckt und festgestellt, dass es in Europa also doch Krieg gibt, und da dachte ich: „Wenn noch nicht einmal unsere Lehrer das wirklich richtig wissen, was ist denn da los?“ Das war dann so ein Punkt, wo ich angefangen habe, mich da sehr für zu interessieren.
Welches von den vielen Themen, die in Ihrem Roman stecken, ist Ihnen besonders wichtig?
Ich finde es besonders wichtig, nicht nur eine Seite vom Konflikt darzustellen, nicht nur dieses Pro-russisch oder Pro-ukrainisch, sondern beide Seiten, weil beide Seiten ihre Argumente und ihre Gründe haben. Und ich wollte das nicht nur einseitig darstellen, wie viele vielleicht direkt denken: „Das ist die Schuld von Russland“ oder wie viele darauf schon festgelegt sind, dass es auf jeden Fall an der Ukraine liegt. Ich habe versucht, das ein bisschen unparteiisch zu erläutern.
Wie stellt sich denn die Stimmungslage vor Ort dar?
Ich würde sagen, dass Russland sich sehr von der EU und der NATO bedrängt fühlt, dadurch, dass die Ukraine immer wirklich – im Vergleich zu Polen – eine deutlich wichtigere Rolle gespielt hat und ein sehr wichtiges Transitland für Gas ist und dass Russland eigentlich nicht ohne die Ukraine so weitermachen kann wie bisher. Das geht für die eigentlich gar nicht, dass die Ukraine auch noch in der EU ist. Die Ukraine möchte sich eher zum Westen orientieren und zu Russland eher Abstand nehmen, das heißt, der östliche Teil möchte eher weiter zu Russland und der westliche zur EU. Und diejenigen, die dann in dem Konflikt, der dann in Donezk entstanden ist, eher ukrainisch sind, sind die, die wollen, dass die Ukraine der EU beitritt und sich von Russland abwendet und diejenigen, die da pro-russisch sind, wollen, dass der Teil wieder zu Russland geht.
Man könnte den Eindruck bekommen, dass Ihr Roman aus einem politischen Engagement heraus erwachsen ist.
Ja, vielleicht, ein bisschen schon. Aber eigentlich sollte es eher ein Roman sein, der verdeutlichen soll, was der Krieg für eine Auswirkung hat auf das Leben der Menschen, wenn sie mit hineingezogen werden.
Frau Becker, vielen Dank für das Gespräch!
Janica Becker: Wir sind die Verlierer. Der Krieg in Europa. Verlag tredition. Hamburg 2019. 10,99 €.