Im Jahre 2016 war Kevin „Turtle“ Bock vor allem ein Ex-Eishockeyspieler mit einem Traum und jeder Menge Ehrgeiz. Knapp fünf Jahre später hat der gebürtige Hagener seine eigene Eis-Show auf die Beine gestellt, darf sich „Deutscher Meister“ nennen und stieg sogar zwischenzeitlich zum regelmäßigen Darsteller in der RTL-Soap „Alles was zählt“ auf: Eine Geschichte, die im Grunde wohl ihrerseits fernsehreif wäre.
„Turtles“ Traum war es damals, sich auf dem Eis als Freestyler zu beweisen, doch schon das „Probetraining“ bei einer Dortmunder Hobby-Formation schien das Ende aller Pläne zu markieren, wurde der 29-Jährige doch schlichtweg für zu schlecht befunden und abgelehnt. Kevin allerdings packte den Stier kurzerhand bei den Hörnern und stellte – Stichwort Ehrgeiz! – gemeinsam mit ein paar Kollegen nicht nur seine eigene Truppe auf die Beine, sondern brachte im selben Zuge gleich ein eigenes Modelabel mit an den Start. Erstes Projekt – erster Erfolg: Satte 400 ihrer selbst designten „TurtleStyle“-Pullis setzten die Freestyler zur eigenen Verblüffung nach ein wenig Werbung über die sozialen Medien ab.
Von der Resonanz beflügelt, starteten die Breakdancer auf dem Eis ab sofort auch sportlich durch. Dabei war der Zeitgeist augenscheinlich auf ihrer Seite, denn Ende 2017 organisierte ein Häuflein Enthusiasten in Karlsruhe die erste – noch inoffizielle – Deutsche Meisterschaft im Ice-Freestyle. Das mittlerweile sechsköpfige Dortmunder Team seinerseits gab im Wischlinger Training Vollgas, trat an und schnappte sich in Deutschlands Süden sämtliche Einzel-Medaillen sowie den Vize-Mannschaftstitel! Parallel wuchsen auch die Ambitionen weiter: „Wir wollten unsere Skeptiker ärgern und in die Nachrichten kommen!“, nimmt Teamchef „Turtle“ hinsichtlich der eigenen Triebkräfte kein Blatt vor den Mund. Und „halbe Sachen“ waren dabei ab sofort offenbar endgültig keine Option mehr: Noch 2018 wandelte sich die Truppe zum eingetragenen Verein, rief eine eigene Nachwuchsabteilung ins Leben und sicherte sich bei der Freestyle-DM diesmal den obersten Treppchenplatz.
Nicht ganz unproblematisch natürlich, wenn die eigenen sportlichen Träume derart schnell in Erfüllung gehen – konnte es, fragten sich Kevin und seine Mitstreiter, tatsächlich noch höher hinaus gehen. „Möglicherweise schon“ lautete das Fazit, denn vielleicht war die Welt ja mittlerweile reif für eine Ice-Freestyle-Show – bzw., wie Kevin Bock es mit einem Augenzwinkern formuliert, für „‘Holiday on Ice‘ auf unsere Weise“.
Eine Hoffnung, die sich bestätigen sollte: Nachdem „TurtleStyle“ eine eigene Choreo auf Weihnachtsmärkten oder zur Saisoneröffnung von Eishallen präsentieren konnte, hatte der Teamchef im Jahre 2019 kurz hintereinander zwei unerwartete Gesprächspartner in der Telefonleitung: Der erste bot ihm die schon erwähnte Rolle in einer deutschen Fernsehserie an. Der zweite schließlich kam vom „Konkurrenzsender“ Sat.1 und fragte nach, ob sich die Freestyler aus Wischlingen einen Auftritt bei „Dancing on Ice“ vorstellen könnten. Mit dieser Zusage, resümiert Kevin Bock rückblickend, zündete „TurtleStyle“ endgültig den Popularitäts-Turbo. „Ich hatte immer das Ziel“, scheut er vor großen Worten nicht zurück, „etwas auf die Beine zu stellen, was mich überdauert – und unserem Sport dabei die Akzeptanz zu bringen, die er verdient. Aber 100 %ig geglaubt“, setzt er hinzu, „habe ich mir am Anfang selbst nicht.“
Die Realität dagegen sieht heute so aus: Nicht nur geben die IceFreestyler ihr Wissen in der Eishalle Wischlingen regelmäßig an Interessierte weiter, seit Anfang dieser Laufsaison liegt sogar der Hallenbetrieb dreimal wöchentlich (von Montag bis Mittwoch) komplett in ihrer Zuständigkeit. Parallel dazu wurde mit dem renommierten Eiskunstlauf-Choreografen Steffen Hörmann die erste „große“ Eisshow entwickelt und darf– so Corona will – bei der Eröffnung der „Wintersportwochen“ in Wernigerode am 29. Januar ihre Uraufführung erleben. Auf TikTok verfügt man mittlerweile über 55.000 Follower, und Kontakte zu größeren Eishockeyvereinen zwecks Performances in den Drittelpausen sind längst geknüpft.
„Turtles Traum“, so scheint es, ist in Erfüllung gegangen. Und zugleich selbstverständlich – Stichwort Ehrgeiz – noch nicht zu Ende geträumt.