Die Saison 2016/17 wird, sportlich gesehen, als eine Spielzeit bewertet werden, in der Borussia Dortmund zum vierten Mal in seiner Vereinsgeschichte Pokalsieger wurde und mit dem dritten Tabellenplatz erneut die direkte Qualifikation für die Champions League erreichte. Aber die abgelaufene Saison wird nicht nur in sportlicher Hinsicht in Erinnerung bleiben.
Das Sprengstoffattentat, das im April auf den BVB-Bus vor der Abfahrt zum Champions League-Spiel gegen Monaco verübt wurde, wird ein sehr denkwürdiges Kapitel in der BVB Vereinschronik einnehmen. Eine unfassbare Tat, bei der BVB-Spieler Marc Bartra und ein Polizist verletzt wurden. Das Attentat bestimmte wochenlang die Schlagzeilen und Spekulationen über den Tathergang und mögliche Täter wurden der Öffentlichkeit bis zur Aufklärung so gut wie täglich präsentiert. Was davon zurückbleibt, können wahrscheinlich nur diejenigen sagen, die das Attentat selbst miterlebt haben und die nur knapp einem weit schlimmeren Ausgang entkommen sind.
Auch das gespenstisch anmutende Bild der leeren Südtribüne zum Spiel gegen den VFL Wolfsburg gehört zu einem Rückblick auf die Saison 2016/17. Massive Proteste der BVB-Fans beim Heimspiel gegen RB Leipzig hatten dazu geführt, dass die Südtribüne für ein Heimspiel leer bleiben musste. Borussia Dortmund und seine Fans waren von einer solchen Kollektivstrafe zum ersten Mal betroffen.
Das Ende der vergangenen Saison war dann auch das Ende der Zusammenarbeit zwischen Borussia Dortmund und Thomas Tuchel. Die Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Trainer lagen offensichtlich nicht im sportlichen Bereich. Die Tabellenplätze zwei und drei sowie zwei Pokalfinale mit einem Pokalsieg stellen schließlich keine schlechte Bilanz der zwei Arbeitsjahre von Thomas Tuchel dar. Dazu kamen etliche sehenswerte und erfolgreiche Spiele in der Europa- und Champions League. Offensichtlich gab es zwischen Vereinsführung, Mannschaft und dem Trainer keine Basis mehr für die Fortsetzung der Zusammenarbeit. Und die Entscheidung der BVB-Verantwortlichen, zum Ende einer Saison einen „Schnitt zu machen“, war und ist mit Sicherheit richtiger, als bestehende Unstimmigkeiten und Probleme mit in die neue Saison zu schleppen, um dann erst später und möglicherweise unter starkem Zeitdruck reagieren zu müssen.
Aber zurück zum sportlichen Bereich. In der Bundesliga wurde Titelfavorit Bayern München – wie mehrheitlich erwartet – zum fünften Mal hintereinander Deutscher Meister. Hartnäckigster Verfolger der Bayern war aber nicht Borussia Dortmund, sondern Bundesliga-Newcomer RB Leipzig, der die Saison als Vizemeister beendete und zeitweise sogar die Tabelle anführte. Eine Entwicklung, die von vielen Fußballfans befürchtet wurde, denn hinter dem erst in 2009 gegründeten RB Leipzig steht ein gewaltiges finanzielles Potential, das Leipzig innerhalb weniger Jahre den Durchmarsch in die erste Bundesliga ermöglichte. Der BVB, der zu Saisonbeginn als größter Rivale der Bayern im Kampf um die Meisterschaft gehandelt wurde, landete hinter RB Leipzig „nur“ auf Rang 3. Das direkte Duell zwischen RB Leipzig und dem BVB ging unentschieden aus. Einem 1:0 Last-Minute-Sieg der Leipziger in der Red Bull Arena folgte in der Rückrunde ein 1:0 Sieg der Dortmunder. Im Übrigen war der BVB neben Hoffenheim die einzige Mannschaft, die Meister Bayern München in der Spielzeit 2016/17 eine Niederlage zufügen konnte. Mit 72 Toren, davon 31 Treffer durch den Bundesligatorschützenkönig Pierre Emerick Aubameyang, erzielten die Dortmunder nach Bayern München (89 Treffer) die meisten Tore in der Liga. Während Bayern München allerdings nur 22 Gegentore hinnehmen musste, kassierten die Borussen mit 40 Treffern fast die doppelte Anzahl. Davon fielen etliche Tore in Spielen, bei denen der BVB vor Anpfiff oft als klarer Favorit festgestanden hatte. Letztlich mussten dann aber Unentschieden oder auch Niederlagen hingenommen werden. Die Heimbilanz von Borussia Dortmund blieb dagegen weiter makellos. Zwar spielte der BVB zu Hause vier Mal unentschieden, verlor aber kein einziges Spiel im heimischen Stadion.
Im DFB-Pokal hießen die fünf Stationen bis zum Finale Eintracht Trier, Union Berlin, Hertha BSC, Sportfreunde Lotte und Bayern München. Im Spiel gegen Union Berlin avancierte Dortmunds Torhüter Roman Weidenfeller zum Pokalhelden, indem er in der Verlängerung zwei Elfmeter des Berliner Zweitligisten halten konnte. Unvergessen natürlich vor allem das Halbfinalspiel des BVB in München. Nach der 2:1 Führung der Bayern sorgten Aubameyang und Dembélé durch ihre Treffer für den 3:2 Sieg des BVB. Unvergessen wird in diesem Spiel auch die Rettungstat des zu Bayer Leverkusen gewechselten Sven Bender bleiben, der eine 100 %ige Torchance der Münchener spektakulär auf der Linie klären konnte. Im Finale wurde der BVB dann seiner Favoritenrolle gerecht und setzte sich gegen die Frankfurter Eintracht mit 2:1 durch. Ein neuer Titelgewinn war perfekt, Berlin war ein Wochenende lang schwarzgelb und die Mannschaft erlebte einen triumphalen Empfang in Dortmund.
Auch in der Champions League konnte sich die Bilanz des BVB sehen lassen. Als Gruppenerster vor dem späteren Titelgewinner Real Madrid kam der BVB bis ins Viertelfinale. Ob der Schock und die Auswirkungen des Attentats auf den Dortmunder Mannschaftsbus mit verantwortlich für das Ausscheiden gegen Monaco waren, bleibt Spekulation und kann nicht beantwortet werden. Fakt ist, der BVB hat durch seine Auftritte in der Champions League 2016/17 weiter an internationalem Ansehen gewonnen und ist für alle europäischen Mannschaften mittlerweile ein Gegner geworden, dem man in der CL eine gehörige Portion Respekt entgegenbringt.
Bei der Bewertung der vergangenen Saison sollte auch nicht vergessen werden, dass im Laufe der vergangenen Spielzeit wichtige Schlüsselspieler längerfristig ausfielen. Neben verletzungsbedingten Spielpausen gehört dazu auch die Stoffwechselkrankheit von Mario Götze, die diesen zu einer mehrmonatigen Spiel- und Trainingspause zwang.
Borussia Dortmund hat damit eine Saison, die zahlreichen Belastungen auch außerhalb des Spielfeldes ausgesetzt war, erfolgreich und mit einem neu gewonnenen Titel beendet. Der BVB stand zu Anfang der Saison 2016/17 vor einem Neuaufbau, musste die Abgänge wichtiger Schlüsselspieler verkraften und neue, vor allem junge Spieler integrieren. Dafür hat der Verein nicht nur zum Saisonbeginn kräftig investiert, sondern auch viel Mut bewiesen. Spieler, die vor einem Jahr fast nur Insidern bekannt waren, sind mittlerweile zu absoluten Leistungsträgern geworden und werden gerne als potentielle Wunschkandidaten bei anderen europäischen Spitzenvereinen genannt. Ob diese Spieler (hoffentlich) länger im Kader des BVB stehen werden und noch weitere erfolgreiche Spielzeiten im schwarzgelben Trikot absolvieren werden, ist Zukunftsmusik. Was aber feststeht, ist das passende Schlusswort zur vergangenen Saison. Und das kann nach dieser, alles andere als unbeschwerten Saison nur heißen: „Danke Borussia!“