Auch wenn der BVB im Mai – für dieses mal – vergeblich nach den Sternen griff: Für einen großen Umbruch bestand an der Strobelallee kein Grund. Punktuelle, passgenaue Verstärkungen hingegen mussten nach den Abgängen von Jude Bellingham und Raphael Guerreiro selbstverständlich gefunden werden. In den sozialen Medien wird über das Trio, das künftig in schwarzgelb aufs Feld laufen wird, naturgemäß rege diskutiert. Echtes Konfliktpotential barg allerdings nur einer der Transfers – und auch da scheinen sich die Wogen mittlerweile geglättet zu haben. Ab sofort dürfte Sportdirektor Sebastian Kehl dringlichste Aufgabe also eher sein, den noch etwas überdimensionierten Kader auf gängiges Bundesliga-Maß zu bringen.
Dies sind Borussias neue Fachkräfte:
Ramy Bensebaini:
Bei ihm liegt der Fall klar: Ramy Bensebaini soll adäquat die Lücke stopfen, die der Abschied von Raphael Guerreiro gerissen hat – und das Team im optimalen Falle noch ein wenig beständiger und variabler machen, als es seinem Vorgänger möglich war. In Umschaltsituationen nämlich dürfte der Neuzugang aus Mönchengladbach dem Portugiesen überlegen sein. Hing Raphael Guerreiro häufiger mal der Ruf an, in der Rückwärtsbewegung schludrig zu sein, gilt der 28-jährige Algerier als ausgenommen kampfstark und gut im Tackling. Gelegentlicher Übereifer allerdings inbegriffen, insgesamt sechs Mal flog Bensebaini im Laufe seiner Profi-Karriere immerhin bereits vom Platz.
Die Torgefährlichkeit betreffend scheinen sich ehemaliger und aktueller Borussen-Linksverteidiger sogar verblüffend ähnlich: Insgesamt dreizehn mal brachte Raphael Guerreiro im Laufe der letzten drei Spielzeiten den Ball über die gegnerische Torlinie, dem Neuzugang gelang dies (bei quasi identischer Einsatzzeit) noch einmal häufiger.
Ein genauerer Blick fördert dann allerdings einen Unterschied zu Tage, den man je nach Blickwinkel als Vor- oder Nachteil für den BVB auslegen kann: Fünf dieser Treffer erzielte der Algerier nämlich vom Elfmeterpunkt, wie er in dieser Hinsicht seit dem Wechsel zum Niederrhein mit sieben Toren bei sieben Versuchen sowieso eine blütenweiße Bilanz hat.
An Geschwindigkeit wird Borussias linke Seite mit der Verpflichtung Bensebainis eher gewinnen, technisch allerdings dürfte der 28-Jährige die Fußstapfen seines Vorgängers nicht ganz ausfüllen können. Bewiesen hat er in der Vergangenheit allerdings bereits, dass er im Falle des Falles auch als Innenverteidiger eine gute Figur macht. BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl sieht Bensebainis sportliche Entwicklung zudem noch nicht als abgeschlossen an. Und auch, dass ein ablösefreier Spieler so gut ins Anforderungsprofil passt, dürfte in der schwarzgelben Chefetage mit großer Zufriedenheit aufgenommen worden sein.
Felix Nmecha:
Mit der Verpflichtung des Wolfsburgers sorgte die Borussia für den wahrscheinlich kontroversesten Transfer der zurückliegenden Spielpause. Unerwartet erwischt allerdings hat der öffentliche und mediale Sturm die BVB-Verantwortlichen wohl eher nicht – nun also gilt es für den 22-Jährigen „Achter“, sich in mehrfacher Hinsicht zu bewähren.
Auf dem Platz sprechen für den gebürtigen Hamburger neben seiner Schnelligkeit vor allem Physis inkl. Kopfballstärke und Flexibilität: Bei seinen bisherigen Stationen zeigte er sich sowohl im offensiven als auch im zentralen und linken Mittelfeld den Aufgaben gewachsen.
Und von Pep Guardiola in Manchester Citys erste Mannschaft befördert worden zu sein, ist sicherlich auch nicht die schlechteste Referenz. Nichtsdestotrotz bestehen über das wahre fußballerische Potential des immerhin fünftteuersten Wechsels der Borussen-Geschichte in der Öffentlichkeit unterschiedliche Ansichten, denn etwa bei Stellungs- und Passspiel weisen die Statistiken des Youngsters durchaus noch Luft nach oben aus.
Andererseits scheint Nmecha gerade im Laufe des letzten halben Jahres fußballerisch gereift zu sein: Eine Entwicklung, die zuletzt im März mit dem Nationalelf-Debüt honoriert wurde.
An der Strobelallee ist der Wolfsburger eher als „Perspektivspieler“ gelandet. Interessante Pointe allerdings, dass ausgerechnet Nmecha das Duell des BVB gegen Ajax Amsterdam entschied und sich mit Einsatz und Kreativität die Bestnoten des Tages verdiente. Möglicherweise ist der „Versöhnungsprozess“ zwischen Kicker und Publikum also schon in vollem Gange. Der Mann, der in die Bellinghamschen Fußstapfen treten soll, ist stattdessen aber wohl doch eher …
Marcel Sabitzer:RB Leipzig und die Bayern in der Vita: Noch scheinen die Fans ein wenig abwartend auf den prominentesten Schwarzgelben Neuzugang zur neuen Saison zu reagieren. Dabei bringt der Österreicher durchaus Tugenden mit, die an der Strobelallee seit jeher eine wichtige Rolle spielen, und die Sabitzer selbst neulich in dem Satz „man muss auch mal eklig sein“ zusammengefasst hat. Hinzu gesellen sich beim 29-Jährigen eine gute Übersicht, eine starke Schusstechnik sowie insbesondere überdurchschnittliche Fähigkeiten beim Gegenpressing.
Auch für das von Edin Terzic geforderte hohe und effektive Anlaufen ist Sabitzer definitiv der richtige Mann. Trotz des spielerischen Potentials scheut der Ex-Leipziger überdies die Drecksarbeit nicht und gilt als flexibel einsetzbarer Kicker, der sowohl als Spielgestalter wie auch als klassischer „Achter“ oder offensiver „Sechser“ zu überzeugen versteht.
Eine Vielseitigkeit wiederum, die TV-Experte Didi Hamann vor einiger Zeit eher als Defizit interpretierte – sei Sabitzer doch für einen Achter zu wenig torgefährlich und für einen Job im defensiven Mittelfeld nicht diszipliniert genug.
Borussias Neuzugang hätte sicherlich nichts dagegen, ihn in der nächsten Spielzeit nachhaltig eines Besseren zu belehren.