„Im Herzen“, sagt Wolfgang, sei er Tänzer, auch wenn er alles Mögliche mal war: Elektriker, Fotograf, Technikinformatiker. Seit seinem 18. Lebensjahr jedoch ist er psychisch krank, was ihn aus seinem Arbeitsleben immer wieder herausriss. Noch nicht zwanzigjährig begegnete er einer Tanzstudentin der Folkwang-Universität der Künste und fand schnell seinen Weg: „Der Tanz hat mich mein ganzes Leben begleitet – und die Krankheit auch.“ Als Monica Fotescu-Uta dann vor elf Jahren zusammen mit dem Friederike-Fliedner-Haus der Diakonie und der evangelischen Gemeinde Hörde das inklusive Tanzprojekt „Dance in – Dance out“ startete, fand sie in Wolfgang einen begeisterten und bis heute treuen Teilnehmer. Gemeinsam mit weiteren Teilnehmenden begannen den beiden, regelmäßig in der Lutherkirche zu tanzen. Dort findet nun am 19. April um 18 Uhr der Auftritt zum elfjährigen Jubiläum statt.
„Hey, ich kann doch was bewegen!“
„Choreo-Sophrologie“ nennt Tänzerin Fotescu-Uta ihre Methode, den Tanz zu nutzen, um der Krankheit durch positives Erleben und Selbstwirksamkeit zu begegnen. „Das hat therapeutische Wirkung ohne zu sagen: Das ist eine Therapie“, erklärt die professionelle Primaballerina. In der Depression sei die Gefahr groß, den Kontakt zum eigenen Körper zu verlieren, ein Umstand, dem der Tanz entgegenwirke: „Ich muss zurück in meinen Körper kommen, um mit meinem Körper etwas darzustellen.“ Für Wolfgang spielt in diesem Zusammenhang auch die „mäßige sportliche Betätigung“ eine Rolle, um Stresshormone abzubauen. Als sehr junger Mann sprach er vor lauter Unsicherheit kaum. „In den Zeiten konnte ich mich komplett ausdrücken.“
Auch Jörg geht „sehr selbstkritisch“ an seine eigenen Leistungen heran, merkte aber, als er vor neun Jahren am ersten Auftritt teilnahm: „Hey, ich kann doch was bewegen!“ Inzwischen zeichnet der hauptberufliche Schwimmmeister dafür verantwortlich, den einzelnen Programmen des Ensembles entsprechend die Musik zusammenzuschneiden und die nötigen Pausen einzubauen, wenn Lena singt und den Tanz auf der Gitarre begleitet.
Dance in – Dance out am Freitag in der Marienkirche
Über den Kontaktclub der Diakonie lernte Ulla vor einigen Jahren Wolfgang kennen, der sie einlud, einmal zur Tanzprobe hinzuzustoßen. Sie profitiert vor allem von der gezielten Atmung beim Tanzen, wie sie selbst sagt. Tatsächlich ziele die Choreo-Sophrologie darauf ab, Atmung und Gedanken in Einklang zu bringen, so Projektleiterin Fotescu-Uta: „Das ist wie ein Mantra.“ Entsprechend stellt laut Jörg auch „das erste Stück, was wir einstudiert haben“, eine Meditation dar. „Der Baum“ bildet auch einen Teil des aktuellen Programms, das das Ensemble am Freitag, den 23. Februar, um 11 Uhr in der Marienkirche an der Kleppingstraße präsentieren will. Auch eine Choreographie mit dem Titel „Halleluja“ und einen Tango soll das Publikum an diesem Vormittag zu sehen bekommen.
Ihre eigenen Themen verarbeiten die Tanzenden unter anderem mit dem „Pillentanz“. Eine Ärztin, gespielt und getanzt von Fotescu-Uta, verteilt Psychopharmaka an ihre Patient:innen. Diese betrachten befremdet die Packungen. „Am Schluss“, erzählt Wolfgang, „schmeißen wir die Pillen weg und tanzen lieber“ – getreu dem Ziel, der Krankheit mit dem Ausdruck des eigenen Körpers zu begegnen.