Seefahrern, denen die Zähne ausfallen, eine Mutter, die sich bei der Geburt ihres Sohnes in einen Baum verwandelt, ein griechischer Gott, der im Traum erscheint: Es waren sagenumwobene Bilder, die am Tag der Arzneipflanze im Rombergpark aufkamen. Anscheinend zufällig trafen sie aufeinander, als die Gesellschaft für Phytotherapie den Meerrettich zur Heilpflanze, den Myrrhenbaum zur Arzneipflanze und den Schlafmohn zur Giftpflanze des Jahres 2021 erklärte.
Durchaus giftige Pflanzen hält der Hortus Medicus vor, den Dr. Patrick Knopf als Leiter des Botanischen Gartens Rombergpark im Rahmen des Tages der Arzneipflanze interessierten Gästen vorstellte. Tatsächlich hatte er einzelne Exemplare für den Heilkräutergarten in einem Online-Voodoo-Shop erwerben müssen: „Reicht für 20 Flüche“.
Schlafmohn
Der Schlafmohn jedoch findet sich nicht in den ordentlich angelegten Beeten – naheliegend, verbietet das deutsche Betäubungsmittel-Gesetz doch den Besitz von Schlafmohn-Pflanzen. Seinen Namen hat der Schlafmohn von seinem Inhaltsstoff Morphin, der wiederum nach dem griechischen Gott der Träume Morpheus benannt ist. Doch ob diese Träume süß sein werden, weiß niemand, denn das aus dem Schlafmohn gewonnene Rohopium „besitzt neben einem Sucht- auch ein hohes Vergiftungspotential und führt bei entsprechender Konzentration zur Atemlähmung“, wie Dr. Cord Hinrich Henning, Experte von den Freunden und Förderern des Botanischen Gartens Rombergpark, auf seinem Infoblatt zur Giftpflanze des Jahres schreibt. Den Unterschied macht hier die Dosis, denn in der Krebstherapie macht sich die Medizin die stark schmerzlindernde Wirkung des Opiums zu Nutze.
Myrrhenbaum
Auch der Myrrhenbaum findet sich nicht im Rombergpark, sondern vielmehr und auf der arabischen Halbinsel und im nordöstlichen Afrika. Dort verwendeten bereits die alten Ägypter die Myrrhe, ein aus der Rinde des Baumes gewonnenes Gummiharz, zur Einbalsamierung. Als Geschenk der Heiligen drei Könige zu Christi Geburt ist sie Christ*innen auf der ganzen Welt ein Begriff. Weniger bekannt ist die griechische Sage, nach der Adonis’ Mutter Smyrna sich bei dessen Geburt in einen Myrrhenbaum verwandelt. Heute wird Myrrhe zur Desinfektion gegen Entzündungen verwendet. In dieser Funktion ist der Myrrhenbaum die Arzneipflanze des Jahres.
Meerrettich
Tatsächlich begutachten und sogar in verschiedensten Variationen probieren konnten die Gäste am Hortus Medicus an diesem Sonntag Anfang Juni die Heilpflanze des Jahres: den Echten Meerretich. In Form einer Paste auf Kräckern oder als Zutat in einer Bloody Mary – hier beriefen sich die Freunde des Botanischen Gartens auf den ähnlichen Klang des Namens – heizte die Wurzel der Pflanze allen Interessierten ein. Tatsächlich ist es die Schärfe, die medizinisch wirkt, indem sie die Verdauung anregt. Aber auch „zur Behandlung bakterieller Harnwegsinfekte und bei Katarrhen der Luftwege“ kann Meerrettich helfen, wie Dr. Henning schreibt. Auf den Ursprung des Namens möchte er sich nicht festlegen, aber „der deutsche Name könnte sich auf due Bedeutung als Vitamin-C-Lieferant in der Seefahrt beziehen“. Als Heilpflanze des Jahres ist der Meerrettich übrigens im Hochbeet im Hortus Medicus zu finden.