Mal eben auf’s Rad springen und zum Supermarkt fahren: Im Stadtbezirk Hombruch kann das zu einem anstrengenden bis hochgefährlichen Unterfangen werden. Politisch regt sich deshalb gerade einiges. Und TU-Informatikstudent Jonas Neubürger hat das Thema zur Grundlage seines aktuelles Digitalprojekts gemacht.
Betrachtet Neubürger die interaktive Dortmund-Karte, die er auf der Unfall-Daten-Basis des Statistischen Bundesamtes erstellt hat, sticht ein Stadtbezirk heraus: In Hombruch gab es im Jahr 2019* besonders viele Unfälle mit Radfahrenden. Rund 50 der insgesamt etwa 400 Unfälle im Stadtgebiet fanden hier statt. Einerseits fällt ihm in diesem Zusammenhang das Wohngebiet südlich der Stockumer Straße zwischen Barop Parkhaus und Steinäackerstraße auf. „An fast jeder Kreuzung“ habe es dort einen Fahrradunfall gegeben, in „klassischen Rechts-vor-links-Situationen“. Doch abgesehen davon hat es eine Straße besonders in sich: „Die ganze Stockumer Straße ist ein Grauen!“
Das führt er auf eine Vielzahl an Problemen zurück. Beispielhaft ist für ihn die Bushaltestelle Pulverstraße – und zwar in beiden Richtungen. Dort nämlich führt der benutzungspflichtige Radweg – erkennbar an dem blauen Schild – über den Gehweg. Dieser wird auf beiden Seiten der Stockumer Straße an den Bushaltestellen extrem eng und bietet diverse „Kollisionsmöglichkeiten“ mit Menschen, die dort auf den Bus warten. Etwas überraschend erscheint zunächst, dass es laut Statistik diese Unfälle sind, die eine besondere Gefahr bergen. Öfter noch als bei einem Zusammenstoß zwischen Fahrrad und PKW gibt es hier Schwerverletzte: „Der Fußgänger hat am Ende den größten Nachteil.“ Neubürger macht das folgendermaßen nachvollziehbar: Wenn er mit seinem Fahrrad die Stockumer Straße hinunterfährt, bewegt er insgesamt rund 90 Kilogramm – das heißt sich selbst und sein Fahrrad – mit etwa 20 Kilometern pro Stunde in eine Person hinein, vollständig „ohne Knautschzone“.
Die Probleme sind vielfältig
Die Radfahrenden hingegen sehen sich auf der Stockumer Straße mit anderen Problemen konfrontiert. Gleich mehrere Ausfahrten zwingen alle, die mit dem PKW hinauswollen, den Radweg zu kreuzen, noch bevor sie überhaupt an der Fahrbahn angelangt sind. Intuitiv fahren viele zügig bis zum Fahrbahnrand, bevor sie sich aufmerksam umschauen. Am Surck folgt die Verkehrsführung diesem Konzept sogar an einer Straßeneinmündung. „Das sind Stellen, wo gut mal Schwerverletzte bei rauskommen“, so Neubürger. In einer Pressemitteilung äußerte sich Jürgen Brunsing als Mitglied der Grünen in der Bezirksvertretung (BV) Hombruch allgemein zum benannten Bereich: „Während im Kern Barops zwischen Beilstück und Parkhaus Barop vor einigen Jahren lärmoptimierter Asphalt auf der Fahrbahn aufgetragen wurde, hat der Radweg Richtung Westen seine 60er-Jahre-Qualität behalten. Radfahrer*innen würden diesem Radwegeabschnitt vermutlich die Note 6,0 geben.“
Tatsächlich hat der ADFC im Rahmen eines Vergleichs der deutschen Städte das Klima für den Radverkehr in Dortmund mit 4,8 bewertet – „Schulnote mangelhaft“, wie Brunsing deutlich macht. „Dortmund, und damit auch Hombruch, schneidet vor allem bei dem Thema Sicherheit schlecht ab. Mit einer Schulnote 4,9 hat sich die ‚Agenda 2030 Kommune‘ im Vergleich zur letzten Befragung (4,8) nochmals verschlechtert. Weitere Mängel beziehen sich auf die Breite der Radwege (5,3), zugeparkte Wege (5,3) und die Führung an Baustellen (5,3)“, so die Hombrucher Grünen. Brunsing ergänzt: „Selbst die von Allen erkennbaren Änderungen des Mobilitätsverhaltens während der Pandemie nutzte die Stadtverwaltung nicht, um den Radverkehr attraktiver zu machen. Durch schnell und unbürokratisch umzusetzende Pop-up-Radwege, beispielsweise auf dem Krückenweg, hätte man ein deutliches Signal pro Rad setzen können.“
Neubürger nimmt stattdessen vermehrt „Pop-up-Baustellen“ auf Radwegen wahr, wie er sie nennt. Für Verwirrung sorge in diesem Zusammenhang auch vielfach die Beschilderung, für deren Problematik die Baustelle an der Kreuzung Zillestraße/Am Hombruchsfeld (https://bit.ly/3urMnwd) ein gutes Beispiel darstellte.
Farbe als Infrastruktur?
Der SPD-Ortsverein Kirchhörde-Löttringhausen legt seinen Fokus einige Hundert Meter weiter östlich. Ein „Dorn im Auge“ ist den Genossen der Kreuzungsbereich Hagener Straße/Zillestraße. Wer mit dem PKW von Süden kommend in die Zillestraße abbiegt, kreuzt den nur schlecht sichtbaren Radweg, der geradeaus über die Zillestraße führt. „Der Vorschlag: eine rote Fahrradspur soll (…) einen deutlich sichtbaren optischen Hinweis auf den Radverkehr geben“, so die SPD in einer Pressemitteilung.
Mit der Idee der farbigen Markierung rennt sie bei Neubürger halboffene Türen ein. Grundsätzlich, sagt er, sei „Farbe keine Infrastruktur“. Dennoch „haben die Leute ein schlechtes Bewusstsein für die Existenz von Radfahrenden“ und auch an der Stockumer Straße könne dieses Bewusstsein mit roter Farbe gestärkt werden. Schilder, die auf den querenden Radverkehr hinweisen, könnten seiner Ansicht nach einen weiteren Teil der notwendigen Aufmerksamkeit schaffen. Auch hier geht er mit der Kirchhörder SPD d’accord. Sie findet: „Die Radspur vor den Einfahrtsbereichen der Parkplätze der Geschäfte an der Hagener Straße sollte deutlicher farblich markiert werden.“
Die Maßnahmen, die sie vorschlägt, „soll die Gefahrensituation entschärfen helfen“. „Wir glauben, dass der Radverkehr an dieser Stelle so ein deutliches Plus an Sicherheit bekommt“, sagt OV-Vorsitzender und stellvertretender Bezirksbürgermeister Volker Schultebraucks. Und dass das dringend nötig ist, zeigt Neubürgers Karte des Stadtbezirks. Doch eine Zahl in seinen Unterlagen lässt hoffen. Tote bei Fahrradunfällen im Jahr 2019: 0.
*Die vergleichbaren Zahlen aus dem Jahr 2020 liegen noch nicht vor.
Die von Jonas Neubürger erstellten Karten sind unter https://cuteredpwnda.github.io/visualize_crashes/ und https://github.com/cuteredpwnda/visualize_crashes einsehbar.