Das Russenlager (nach den Erinnerungen von Liane Biermann (1935–2016))
Immer wieder stellen geschichtsinteressierte Mitmenschen Fragen zu den Gebäuderuinen im Rahmer Wald und es werden Vermutungen geäußert zum Vorhandensein eines Gefangenenlagers aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges in diesem Grünzug zwischen Huckarde, Rahm und Westerfilde. Vieles dazu blieb lange im Dunkeln und es erstaunt, dass gerade die Erinnerungen eines damaligen Kindes etwas Licht in die vergessene oder vielleicht auch verdrängte Welt bringen.
Erinnerungen
In den waldreichen Gebieten im Umfeld der Westhusener Str., etwa dort gelegen, wo heute das Exius-Haus zu finden ist, befand sich in den Jahren um 1943–45 ein streng bewachtes Internierungslager für osteuropäische, in der Mehrzahl aus der Sowjetunion stammende Kriegsgefangene. Von hier aus wurden die Häftlinge zu ihren, zwangsweise zugewiesenen, Arbeitsplätzen auf der in Huckarde gelegenen Zeche Hansa oder gelegentlich auch auf landwirtschaftlichen Flächen im Umkreis geleitet.
Während die einfachen hölzernen Unterkünfte der Häftlinge auf der dem Rahmer Busch zugewandten Straßenseite gelegen waren, befanden sich die Unterstände und die ebenfalls oft aus Holz erstellten Baracken des Wachpersonals auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das Gefangenenlager war durch eine sichere Umzäunung aus Maschen- und Stacheldraht dicht umschlossen. Zur Tarnung gegen Luftaufklärung oder Beschuss/Bombardement waren die Unterkünfte unter Bäumen getarnt. Nur die Unterstände des Wachpersonals auf der Lagerseite und vereinzelte kleine Bunker am Rand des Lagerkomplexes wurden in Betonbauweise ausgeführt und sollten somit einen gewissen Schutz bieten.
Auf den Weg zum Arbeitseinsatz auf der Zeche Hansa machten sich die männlichen, ungewaschenen und unterernährten, nur in Lumpen und Decken spärlich bekleideten Zwangsarbeiter in den Morgenstunden auf ihren Marsch die nahgelegene Rahmer Str. entlang. Den Anwohnern bot sich ein erbarmenswürdiger Anblick und das durchdringende und monotone Klackern der Holzschuhe der Gefangenen auf dem Pflaster klang den Huckardern noch lange Zeit in den Ohren und prägte die Erinnerung an diese Menschen. Nachdem sie ihren schweren und gefährlichen Arbeitseinsatz über- und meist auch untertage bewältigt hatten, wurden die Gefangenen von ihren Wachmannschaften wieder zu ihren nächtlichen Schlafplätzen am Rahmer Wald eskortiert.
Es gibt Hinweise, dass sich die für den Lagerbau zuständige „Organisation Todt“ in der Umgebung des Rahmer Waldes einrichten wollte. Heute künden nur noch wenige steinerne Reste von Bunkeranlagen und Unterständen von den, eher provisorisch anmutenden, Anlagen zur Internierung und Bewachung der Gefangenen. Sie sind stumme Zeitzeugen eines dunklen Kapitels in der örtlichen Geschichte.